Daimler-Chrysler: S-Klasse von Brumborio
Aus der DaimlerChrysler wird nun Daimler: Der Konzern vollzieht seine Trennung von der US-Partnermarke nun auch offiziell im Namen. Wie ein Ehepaar, dass sich scheiden lässt.
In Trennungsphasen ist es wichtig, sich seiner eigenen Identität zu besinnen. So kommt man besser über den ehemaligen Partner hinweg und gewöhnt sich schneller an die anstehende Existenz als Solitär.
DaimlerChrysler hat sich von seiner US-Affäre Chrysler getrennt. Und will nun jene Spuren tilgen, die an die Zeit zu zweit erinnern: Der gemeinsame Name kommt weg, aus DaimlerChrysler soll - Daimler werden.
"Mit dem Konzernnamen Daimler setzen wir ein klares Zeichen, dass wir ein neues Kapitel aufschlagen", sagte Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche gestern in seiner Rede bei der außerordentlichen Hauptversamlung der DaimlerChrysler AG, den Blick in die Zukunft gerichtet, wofür er ja bezahlt wird. Dennoch: Diese Umbenennung wird den Konzern Millionen kosten, und schon fordern die ersten Aktionäre, da man das Geld für den symbolischen Akt ohnehin ausgeben wird, doch immerhin zum traditionellen Namen Daimler-Benz zurückzukehren.
Ob mit oder ohne Benz: Der Konzern ignoriert in Sachen Namensfindung einen Trend, dem sich andere Unternehmen dieser Tage gerne fügen. Sie heißen so, dass ihre Namen auch in einer italienischen "Herr der Ringe"-Adaption noch Berechtigung hätten: Permira oder Vivento oder Qimonda, zum Beispiel. KarstadtQuelle nennt sich seit diesem Jahr artussagenmäßig Arcandor.
Diese Fantasiegebilde von Namen kommen unter anderem deshalb zu Stande, weil Werbeprofis der Meinung sind, dass A's und O's Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen und letztere bekanntlich Konsumenten anlockt und bindet. Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Konstruktion eines völlig bedeutungsfreien Firmennamens sei der internationale, weltläufige Klang.
Doch diese Weltläufigkeit muss sich der Großkonzern DaimlerChrysler aka Daimler aka Daimler-Benz nicht erst mit einem komplett neuen Namen erkaufen. Er besitzt sie bereits. Und er hat noch mehr: In der Bezeichnung "Daimler" steckt personifizierte Automobilgeschichte, die ein künstliches Konstrukt wie, sagen wir, Brumborio nie transportiere könnte. Es war eben der Ingenieur und Konstrukteur Gottlieb Wilhelm Daimler, der das Auto erfand, auch wenn der nicht einmal ein einziges O im Nachnamen hatte.
Daimler gilt unter Marketingfuzzis als da, was man eine starke Marke nennt. Sich während der Trennung von Chrysler darauf zu besinnen, ist also nur konsequent. Denn die einmal eingeführte Marke durch die namentliche Zusammenlegung in DaimlerChrysler zu verwässern, war ungefähr so überflüssig wie ein offenes Cabrio im Winter - PR-strategisch ungefähr so sinnvoll, wie die plötzliche Hochzeit von Audi und Fiat und der anschließende Markennamen AudiFiat.
Und so hat sich in der ungelenken Bezeichnung DaimlerChrysler schon immer die übermotivierte Reaktion eines schwäbischen Unternehmens auf die Globalisierungshysterie der Neunzigerjahre gespiegelt.
Bevor sich nun Traditionalisten darüber beschweren, dass Daimler, dessen Autos ohnehin immer mit "Mercedes" angesprochen wurden, nun klammheimlich auch den armen "Benz" entsorgt: dem wäre das egal gewesen. Schließlich wurde Karl Friedrich Michael Benz als Karl Friedrich Michael Vaillant geboren, lebt als solcher im französischen Formel-1-Comichelden "Michel Vaillant" weiter - und nannte sich selbst irgendwann Carl Friedrich Benz, wahrscheinlich auch aus PR-Gründen.
Nicht alle Affären übrigens müssen so traurig enden wie die von Daimler und Chrysler. Man denke nur an Renault-Nissan, ein glückliches Paar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus