Daimler-Chef beim Grünen-Parteitag: Zuhören heißt nicht zustimmen
Daimler-Chef Zetsche darf Vorschläge machen – beschlossen wird etwas Anderes. Die Entscheidungen vom Grünen-Parteitag in Münster.
Der Auftritt des Vorstandsvorsitzenden, der über die Verkehrswende sprach, war im Vorfeld des Grünen-Parteitags in Münster heiß umkämpft gewesen. Die Delegierten hatten bereits am Freitag einen Antrag aus der linken Basis abgelehnt, die Rede des Daimler-Chefs ersatzlos zu streichen. Von der Aktion der Grünen Jugend abgesehen, lief bei dem umstrittenen Besuch dann alles sehr zivilisiert ab.
Zetsche warb für seine Vision des Zukunftsautos, die Grünen applaudierten höflich – und fassten dann zwei radikale Beschlüsse.
Zetsche, ohne Krawatte, in Jeans und Sneakers, sendete eine doppelte Botschaft. Einerseits bekannte er sich zu ökologischer Mobilität. Die Branche habe längst verstanden: „Das größte Risiko für Arbeitsplätze wäre ein Festhalten am Status quo“, sagte Zetsche. „Wir stehen vor einem fundamentalen Wandel, der weit über neue Motoren hinausgeht.“ Die Grünen hätten Recht, wenn sie sagten, die Automobilindustrie werde nur überleben, wenn sie ein emissionsfreies Fahrzeug entwickele.
Ausstieg aus der Kohlenutzung 2025
Gleichzeitig wandte sich Zetsche klar gegen eine Kernforderung der Ökopartei. „Wer glaubt, er könne eine bestimmte Form der Mobilität bis zu einem Stichtag x verbieten, der springt zu kurz.“ Statt zu diskutieren, wann man ankomme, gehe es darum, das Tempo zu beschleunigen. Die Grünen fassten am Ende der Debatte trotzdem einen Beschluss, der deutlich engagierter ist.
Sie treten in Zukunft dafür ein, ab 2030 nur noch Neuwagen mit emissionsfreien Antrieben zuzulassen. Diesel oder Benziner wären ab diesem Datum verboten.
Beim Kohleausstieg überstimmte die Basis sogar den Antrag des Vorstandes. Statt 2035, wie von der Grünen-Spitze gefordert, soll nun der Ausstieg aus der Kohlenutzung in Deutschland bereits bis 2025 gelingen.
Vor Zetsches Auftritt hatte Parteichef Cem Özdemir einen starken Moment. Er verteidigte in seiner Begrüßung die Einladung des Vorstands. Er wundere sich über die Reaktionen, rief Özdemir mit Blick auf Kritiker.
Atem des Aufbruchs
„Es ist doch ein Kompliment, wenn man zu uns kommen muss, um über die Zukunft der Autoindustrie zu reden – nicht zur CDU oder zur SPD“, rief Özdemir. „Woher kommt die Angst? Wir haben gute Argumente, wir haben Rückgrat!“ In diesem Saal werde über die Zukunft der Republik entschieden. Einzelne Jubelrufe, die Delegierten reißt es von den Sitzen, der Atem des Aufbruchs weht durch den Saal.
Ein weiterer Höhepunkt der Debatte war die ebenfalls bejubelte Rede von Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und einer der schärfsten Kritiker der Automobilindustrie. Er hielt den Autokonzernen „vorsätzlichen Betrug“ vor.
Er zitierte Lungenfachärzte, die Menschen aus Städten mit hoher Feinstaubbelastung behandeln. Gerade im Winter müssten sie deutlich mehr Husten- und Erstickungsanfälle behandeln. „Hunderttausende Menschen leiden, weil die Automobilfirmen mit krimineller Energie die Abgasreinigung im Winter auf nahe null herunterregulieren.“
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