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Daimler Benz in den USA vor GerichtWegen Folter und Mord angeklagt

Mindestens 14 Betriebsräte "verschwanden" 1976/77 bei Daimler Benz Argentinien. Jetzt verklagen Angehörige den Konzern in den USA.

Beschäftigt jetzt auch die US-Justiz: Hat Daimler Benz mit der Militärjunta in Argentinien zusammengearbeitet? Bild: dapd

BUENOS AIRES taz | Daimler-Benz wird angeklagt. Der Autokonzern muss sich in den USA wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur in Argentinien in den 1970er Jahren vor Gericht verantworten. "Endlich!", so US-Anwalt Terry Collingworth. "Jetzt muss das deutsche Unternehmen für das Geschehene Rede und Antwort stehen."

Es geht es um die Klage von 22 Argentiniern, die den Autokonzern für das Verschwindenlassen von mindestens 14 Betriebsräten in den Jahren 1976 und 1977 während der Militärdiktatur in der argentinischen Niederlassung von Daimler-Benz zu Verantwortung ziehen wollen. Mercedes-Benz Argentina habe damals mehrere unbequeme Arbeitnehmervertreter an die Militärdiktatur ausgeliefert, um einen Streik zu beenden, so der Vorwurf.

Daimler hatte sich bis zuletzt gegen die Klage gewehrt. Jetzt hat die 9. Kammer des US-Berufungsgerichts in San Francisco den Berufungsantrag von Daimler abgelehnt. Damit ist der Weg für eine zivilrechtliche Entschädigungsklage gegen Daimler wegen Tötung, Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen an Mercedes-Benz-Arbeitern im argentinischen Werk vor einem US-Gericht endgültig frei. Innerhalb eines Monats soll der Prozess beginnen.

Zeugenaussagen wie die des Überlebenden ehemaligen Betriebsrats Héctor Ratto weisen auf eine Zusammenarbeit zwischen der Werksleitung und den Militärs hin. Ratto sagte bei einer Vernehmung aus, dass der damalige Daimler-Manager Juan Tasselkraut ihn persönlich den Sicherheitskräften übergeben und diesen außerdem die Adresse des Mercedesarbeiters Diego Nuñez mitgeteilt habe. Dieser verschwand daraufhin ebenfalls. Bis heute ist Nuñez spurlos verschwunden.

Verfahren in Deutschland eingestellt

Da eine Klage in Argentinien seit Jahren nicht vorankommt, versuchten die Überlebenden und Angehörigen der Verschwundenen den Rechtsweg im Ausland zu beschreiten. In Deutschland wurde ein entsprechendes Verfahren durch den deutschen Anwalt der Betroffenen, Wolfgang Kaleck, auf den Weg gebracht. Im Jahr 2000 wurde es jedoch von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eingestellt.

Am 14. Januar 2004 hatte Terry Collingsworth zusammen mit seinem Kollegen Daniel Kovalik die Klage in den USA eingereicht. Die war im August 2009 von einem US-Bezirksgericht zunächst abgewiesen worden. Begründung: Nicht zuständig. Doch das sahen die Richter am kalifornischen Berufungsgericht im vergangenen Mai anders.

Die USA und besonders der Bundesstaat Kalifornien habe in den fraglichen Jahren so viele in Argentinien zusammenmontierte Daimler-Fahrzeuge importiert, dass der Autobauer in den USA vertreten ist und dementsprechend unter die US-Gerichtsbarkeit fällt, so das Berufungsgericht in seiner Begründung. Daimler-Benz legt umgehend Berufung ein. Doch jetzt haben die Richter auch das letzte Rechtsmittel von Daimler verworfen.

Das Urteil fußt auf einem Gesetz aus dem Jahr 1789, nachdem in den USA vertretene Firmen auch für Vorkommnisse in ihren ausländischen Standorten verantwortlich sind. Zudem, so Berufungsrichter Stephen Reinhardt, müssten die Kläger schon viel zu lange auf eine Reaktion der argentinischen Justiz warten und es herrsche wenig Klarheit darüber, ob ein deutsches Gericht sich damit befassen wird.

Für Mercedes-Benz Argentina droht durch den Prozess einen schwerer Imageschaden. Noch im vergangenen September hatte das Unternehmen mit viel Pomp sein 60-jähriges Bestehen als älteste Daimler-Tochter im Ausland gefeiert. Jetzt könnte eine weitere Vorreiterrolle auf das Unternehmen zukommen - bei der juristischen Aufarbeitung der Verwicklung ausländischer Konzerne in die Menschenrechtsverbrechen der argentinischen Militärdiktatur.

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12 Kommentare

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  • EK
    Edith Komes

    Völlig egal ob es den Angehörigen um Geld geht oder nicht. Es ist eine absolute Schweinerei um bei Folter und groben Menschenrechtsverletzungen mit zu wirken und es ist mit Sicherheit in Ordnung das jede Firma die dabei mitgewirkt hat sich dafür verantworten muss und dabei einen Imageschaden erleidet. Die gefolterten Opfer haben mit Sicherheit sehr viel mehr erleiden müssen wie nur einen Image Schaden.

     

    Übrigens gibt es solche Fälle heutzutage immer noch und kommen Folter und ganz schwere Menschenrechtsverletzungen nicht nur vor in Argentinien.

     

    Mein Vater wurde von einem ex NATO General ganz schwer gefoltert und wird noch immer vermisst ohne das die Bundesregierung sich dafür interessieren würde. Das hat damit zu tun das Teile der Bundeswehr und des BND bei der Sache mitgewirkt haben.

     

    Sämtliche Mitglieder von Bundestag und Bundesrat sind informiert über den Fall um machen rein gar nichts. Ein Menschenleben ist scheinbar uninteressant. Eine ganz tolle Mentalität ist das.

     

     

    Übersicht

    http://folter-und-mord.blogspot.com/

    Folter und Mord begangen von Wes Clark

     

    German / Deutscher/ Duitse Blog

    http://folterundmord-wesclark.blogspot.com/

     

    English Blog / Englischer / Engelse Blog

    http://torture-and-murder-by-wes-clark.blogspot.com/

     

    English Blog / Englischer / Engelse Blog

    http://murderbywesclark.blogspot.com/

     

    Dutch / Holländischer/ Nederlandse Blog

    http://marteling-en-moord-door-wesleyclark.blogspot.com/

  • W
    womue

    Ach ja, da fällt mir doch ein: Die argentinische Generalität hatte doch auch eine Filiale in den USA? Oder sogar eine Stiefmutter?

  • W
    womue

    Ist doch klar, so ein Prozess kann dort stattfinden, weil man bei diesem Beklagten dort viel Geld verdienen kann. Das spielt in der Justiz der USA eine wichtige Rolle. Vom Grundsatz her ist es zwar gut, wenn so ein Menschenrechtsprozess überall stattfinden kann, jedoch ist es bestimmt ein Problem, Zeugen und Indizien aus der Ferne zu ermitteln und zu befragen. Hier bei uns klappt das schon nicht, wenn das Gericht in Sichtweite um die Ecke ist. Aber das spielt in den USA vielleicht keine Rolle.

  • I
    ilmtalkelly

    Ick bin ein Californier, jedenfalls in dieser Sache.

  • F
    franz

    Ich muss schon sagen, dass ich diese Kommentare sehr einseitig finde! Es ist gut, dass sich ein Gericht auf dieser Welt, dem Fall annimmt und dass man auf ein rechtsstaatliches Verfahren hoffen darf! Wenn ein deutsches Gericht sich nicht bemüht und auch die argentinischen Gerichte keine Aufarbeitung für Nötig erachten und nun eben in Californien ein Gericht den Fall zulässt, kann ich das nur für gut befinden. Es sind Menschen getötet, verschleppt und gefoltert worden und deutsche Autobauer haben, ihre soziale-ethische Verantwortung nicht wahrgenommen, vielleicht noch schlimmer dem Regime zugearbeitet, das verlangt nach Aufklärung!

     

    Wenn die deutschen Autobauer unschuldig sind, würden sie kaum so ein Aufgebot auffahren, jeden Prozess zu verhindern. Da hat ein Unternehmen höchstwahrscheinlich historische Schuld und will dazu nicht stehen, aber darin sind ja Unternehmer meist gut geübt, "ich bin nicht schuld, ich mache nur was Staat und Kosument von mir verlangt!"

  • S
    schopen-hauer

    Geschichte ist anders.

    Kann ja die Aversionen der Vorkommentaristen gegen

    das Imperium verstehen,aber die Frage bleibt doch an welches Gericht sich die Angehörigen wenden können?

    Deutschland-Nürnberg?

    Argentinien?

     

    http://www.labournet.de/branchen/auto/dc/BENZKT.html

  • W
    Wolfgang

    Das mag zwar irgendwie etwas "schizophren" sein, aber ich finde es trotzdem gut, wenn Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben. Wer sich mit einem Unrechtsregime verbündet, der sollte wissen: das geht nicht gut aus. In dem Zusammenhang: wenn alle deutschen Autobauer, die in USA investieren, darauf achten würden, dass nur in den Staaten gebaut wird, in denen die Todesstrafe abgeschafft ist: selbst die USA wäre bald todesstrafenfrei.

  • H
    harun

    Ein moralisch und völkerrechtlich wildgewordener kapitalistischer Konzern endlich vor Gericht für seine bedenkenlose Unterstützung von dem Westkapital willfährigen 3.Welt-Menschenschindern, das ist doch einfach mal eine gute Nachricht. Hoffentlich werden die damals in der BRD politisch Verantwortlichen gleich mit angeklagt.

    Zugegeben- die USA, das ist vielleicht die, was die Einhaltung von Völker- und Menschenrechten betrifft, doppelzüngigste und schizophrenste kapitalistische Macht auf diesem Erdball, das haben die anderen Kommentatoren hier schon gut dargestellt. Und man muß nur an den mutigen Wikileaks-Informanten Bradley Manning erinnern, um die These von dieser doch widerwärtigen US-Gespaltenheit zu untermauern.

    Aber mir persönlich ist es egal, in welchem Land man diese Kapital-Charaktermasken. etwa der Deutschen Bank oder von Mercedes, vor Gericht stellt: Es sind eben nicht n u r Charaktermasken, sondern in der Phase der Weltgeschichte, wo die Menschheit langsam beginnt, "auf dem Kopf zu gehen"(Hegel)- sprich: Wo auch Militär- und Konzernapparatschiks erkennen können, zu welchen Widerwärtigkeiten sie der finale Kapitalismus nötigt u n d , siehe Manning, aus Freiheit und jenseits aller ökonomischen Fetische Verantwortung für ihre Taten übernehmen können.

    Vielleicht werden bald auch die Kriminellen von Monsanto vor d e u t s c h e n Gerichten für ihre Verbrechen an Natur und Mensch zur Verantwortung gezogen!!

  • V
    vic

    Erst heute habe ich am Ende von Stéphane Hessels Buch "Engagiert Euch" die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948- die noch heute und universell Gültigkeit hat- gelesen. Erschreckend, wie wenig von diesen Vorsätzen (verbindlichen Vorschriften) übrig blieb. Und wieviel Zuwiderhandlungen stündlich weltweit stattfinden.

  • EA
    Enzo Aduro

    Was bilden sich die Amis eigentlich ein? Das ist vielleicht ein Fall für ein argentinisches, ein südamerikanisches*, ein deutsches, ein europäisches oder ein internationales Gerich. Aber nicht für ein US-Amerikanisches!

     

    *falls die UNASUR schon eines hat

  • U
    Ulf

    ...

    Die USA und besonders der Bundesstaat Kalifornien habe in den fraglichen Jahren so viele in Argentinien zusammenmontierte Daimler-Fahrzeuge importiert, dass der Autobauer in den USA vertreten ist und dementsprechend unter die US-Gerichtsbarkeit fällt....

     

     

    Ach so.

    Die USA und besonders der Bundesstaat..... viele in China montierte I-Phones improtiert, deshalb fallen die Menschenrechtsverletzungen in China auch unter US-Gerichtsbarkeit, warum wird Apple nicht verklagt?

  • HL
    Hauke Laging

    Das ist schon leicht schizophren: Weltgericht spielen wollen, aber das Weltgericht nicht anerkennen.