DIE US-KLIMAPOLITIK ÄNDERT SICH KAUM – WIRD ABER LEICHTER ANGREIFBAR: Die Erde ist doch keine Scheibe
Eine Binsenweisheit auszusprechen, kann ein großer Fortschritt sein. Der Erkennende öffnet sich damit – wenn auch spät – dem vernünftigen Diskurs. Er bekennt seinen Irrtum und wird wieder als ernst zu nehmender Gesprächspartner akzeptiert. Wie man am Verhältnis der katholischen Kirche zur Physik sieht, können solche Prozesse schon mal 500 Jahre dauern. Bei der US-Regierung ging es schneller. 20 Jahre nachdem Wissenschaftler erstmals die Erwärmung des Erdklimas auf die Abgase aus Autos und Fabriken zurückführten, räumt nun die US-Umweltbehörde EPA ein, dass menschliches Handeln den Treibhauseffekt verursacht. Weil die Environmental Protection Agency der US-Regierung direkt untersteht, welche diesen Zusammenhang bisher negiert hat, kommt das Eingeständnis einer offiziellen Revision der Klimapolitik der Vereinigten Staaten gleich.
Der Sinneswandel ereignet sich nicht von ungefähr. Im November werden das US-Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu besetzt. Mangels anderer streittauglicher Themen attackiert der demokratische Exvizepräsident Al Gore die Republikaner von George W. Bush auf dem Feld der Umwelt- und Klimapolitik. Offenbar will der amtierende Präsident den Plan der Opposition durchkreuzen, ihn als notorischen Öko-Ignoranten abzustempeln. Außerdem beginnt Ende August die Weltkonferenz zur nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg. Auch da müssen die USA imagemäßig Boden gutmachen, wenn sie nicht als die letzten Deppen behandelt werden wollen, die sich dem globalen Klimakonsens verweigern.
Wer unhaltbare, ideologische Positionen abräumt, wird im Prinzip zugänglicher für Argumente. Niemand sollte allerdings darauf hoffen, dass sich die praktische US-Industrie- und -Klimapolitik nun von Grund auf ändert. Für Bush stehen der Schutz des US-amerikanischen Wohlstandsmodells und der oft unmodernen Industrien im Vordergrund. Internationalen Abkommen zur Verringerung des Abgasausstoßes, möglichen Sanktionen gar wird sich seine Regierung auch weiterhin entziehen. Was der Rest der Welt vom Umweltschurken USA bekommen kann, sind ein paar Milliarden Dollar für Ökoprojekte, über deren Verwendung die USA aber im Wesentlichen selbst entscheiden. Angesichts des US-Eingeständnisses sollten die Europäer verstärkt Fortschritte in der Klimapolitik einklagen – auch wenn sie nicht auf ihre Erfüllung hoffen dürfen. Wer etwas zum Schutz der globalen Umwelt tun will, muss es letztlich auch ohne die Vereinigten Staaten tun. HANNES KOCH
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