DIE UNO-MENSCHENRECHTSKOMMISSARIN GEHT – DIE DIKTATOREN JUBELN: Sieg der Doppelmoral
Das Wort Rücktritt verbittet sich Mary Robinson. Doch dass die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen von der Regierung in Washington aus ihrem Amt getreten wurde, will sie nicht verschweigen. Allen Großmächten hat sie in ihrer fünfjährigen Amtszeit die Stirn geboten – den Russen in Tschetschenien, den Chinesen in Tibet, den Amerikanern beim Transport ihrer afghanischen Gefangenen nach Kuba. Nun soll die Welt wissen, welcher der Angeklagten ihrer Kritik am wenigsten standhält. „Ich bin nicht jemand, der einfach so geht“, sagte sie in ihrem letzten Interview.
Die Melancholie, mit der die frühere Präsidentin Irlands ihr Amt räumt, wirft lange Schatten auf die westliche Menschenrechtspolitik. Jubeln dürfen die staatlich bezahlten Leitartikler in den Diktaturen der Dritten Welt, die dem Westen eine Doppelmoral vorwerfen. Dass Washington mit zweierlei Maß misst, wenn es etwa um den Umgang mit afghanischen oder tschetschenischen Kriegsgefangenen geht, macht Robinsons Abgang offenbar. Auch brauchen sich die Regierenden in Peking, Islamabad oder Algier heute kaum noch vor einer „universalen und unparteiischen“ Menschenrechtspolitik fürchten, wie sie Robinson als Ideal nach dem Ende des Kalten Krieges vertrat. Schon vor dem 11. September hatte die amerikanische Politik unter Einfluss von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld andere Prioritäten gesetzt – zum Beispiel die Eindämmung Chinas mit Mitteln unter anderem der Menschenrechtspolitik.
Dennoch bleibt Robinsons Erbe ermutigend. Wie keinem anderen westlichen Vollblutpolitiker zuvor gelang es ihr, die Menschenrechtscharta der UN beim Wort zu nehmen und die bürgerlichen und sozialen Rechte der Menschen nicht gegeneinander auszuspielen. Damit gewann sie in den USA unter Clinton, in China, Indien, Afrika und nicht zuletzt in Europa viele Freunde. Dort empfiehlt sie sich nun für weitere Aufgaben. GEORG BLUME
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