piwik no script img

DIE TELEKOM HAT IHREN ANLEGERN DAS WICHTIGSTE VERSCHWIEGENWir kommen, um uns zu beschweren

Er hat viele Fehler gemacht. Sie ihm vorzuwerfen, würde aber an Schlaumeierei grenzen. Telekom-Chef Ron Sommer hat sich so klug und gleichzeitig so ignorant verhalten wie viele andere Konzernführer auch. Wie die meisten glaubte er an das Goldene Zeitalter der Telekommunikation und des Internets. Märchenhafte Gewinne schienen schon ausgemacht. So gab die Telekom rund 16 Milliarden für eine neue Handy-Lizenz aus – ein fantastischer Preis, der sich in diesem Jahrzehnt wohl nicht mehr amortisieren wird. Nachdem die Konjunktur eingebrochen und der Internet-Boom Vergangenheit ist, mutet der Handy-Deal an wie betriebswirtschaftliches Harakiri. Das drückt ebenso auf den Aktienkurs wie der enorme Preis, den Sommer in guten Zeiten für den Kauf der US-Mobilfunkfirma Voicestream vereinbart hat. Doch mit derartigen Bauchlandungen steht Sommer nicht alleine da – die Kurse im Telekom-Sektor sind allesamt im Keller. Die Telefon-Elite hat sich maßlos überschätzt.

In einem Punkt freilich trägt Ron Sommer eine spezielle Verantwortung: Er hat sich gar nicht erst bemüht, den Millionen Kleinaktionären reinen Wein einzuschenken. Nach jedem Aufschwung kommt die Krise – ein Manager wie Sommer weiß das aus eigener Erfahrung. Seine Kleinanleger nicht. Man hat ihnen das Blaue vom Himmel versprochen und nicht gesagt, wie der Aktionärskapitalismus wirklich funktioniert. Und woher sollten die Leute das wissen? Aus dem Geschichtsunterricht? 1929 liegt zwei Generationen zurück. Sicher: Abstrakt kann man von jedem Grundkenntnisse über Marktwirtschaft, Bankrotte und Kursverluste verlangen. Doch für die meisten war es neu, mit ihrem Ersparten oder der Erbschaft unternehmerisch zu handeln – also die Möglichkeit des Verlustes jederzeit einzukalkulieren. Darauf waren die Leute nicht gefasst, denn alle, die im Fernsehen den Experten gaben, beschrieben die Telekom-Aktie als moderne Form des Sparbuches: Sichere Verzinsung, das Geld wird immer mehr, darum kümmern muss man sich nicht. Nachdem sich das wider Erwarten als halbe Wahrheit herausgestellt hat, beschweren sich die Kleinaktionäre zu Recht.

HANNES KOCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen