DIE TAZ MUSS IHRE KAMPAGNE GEGEN RECHTS FORTSETZEN: Kein Pranger
Ausgerechnet die Blätter des rechten und linken Liberalismus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und die Frankfurter Rundschau (FR), diffamieren die taz für ihre Titelseite „Gesicht zeigen“, auf der 22 Rechtsextremisten mit Foto und kurzen biografischen Angaben „angeprangert“ wurden: Diese Seite solle nur darstellen, dass die Autoren der taz zu den zwei Dritteln der „Aufrechten Antifaschisten“ gehörten (FAZ). Zudem zeige die Präsentation der 22, so die FR, dass umstandslos „die Methode Pranger“ übernommen worden sei, vergleichbar der Veröffentlichung von angeblichen oder tatsächlichen Pädophilen in der britischen Presse. Die FAZ verlangt, anstelle der „Nazi-Prominenz“ solle man in der taz beispielsweise die namen- und gesichtslosen Kriminellen abbilden, die den Algerier Omar Ben Noui im brandenburgischen Guben zu Tode gehetzt haben, um rechtsradikale Täter durch ihre Sichtbarmachung von zukünftigen Taten abzuhalten. Die FR wiederum setzt die taz-Aktion in Beziehung zu einem Aufruf Rechtsextremer gegen einen aktiven Gewerkschaftler – der über das Internet, garniert mit Details zur Person, verbreitet wurde – und zitiert in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Oberlandesgerichts Thüringen, in der es die Internetseite untersagt hat. Tenor all dieser abwegigen Vergleiche: Die taz hätte es anders, nicht aber so machen dürfen.
Nur: Genau der FAZ-Vorschlag – die Veröffentlichung von Bildnissen und Namen jugendlicher oder herangewachsener Täter – entspricht der mehrfach von Gerichten verbotenen „Methode Pranger“. Gegen diese Methode Pranger sprechen in der Tat gute Gründe: Auch ein junger Neonazi hat einen unveräußerlichen Anspruch auf Menschenwürde, Persönlichkeitsrecht und daher auch auf das Recht, umzukehren und zurückzukehren in die Gesellschaft. Das darf durch keinen Pranger erschwert werden. Der aus der Anonymität agierende Brandstifter ist allenfalls für einen Augenblick lang eine relative Person der Zeitgeschichte, er hat einen Anspruch, mit seiner Tat allein gelassen und später resozialisiert zu werden. Dieses Recht mag die FAZ ignorieren, die taz sieht dazu keinerlei Veranlassung.
Die Veröffentlichung des Gewerkschafters auf der rechten Homepage schrieb diesen im Grunde zur Verfolgung aus. Der Mann hatte sich nicht in anderer Weise in die Öffentlichkeit gedrängt, hatte nicht Dritte zu Straftaten aufgerufen, und er war keine Person der Zeitgeschichte. Durch die Internetveröffentlichung war die nahe liegende Gefahr begründet, dass er allein wegen der Herausstellung auf dieser Homepage gewalttätigen Angriffen ausgesetzt würde. Daher ist das Verbot rechtlich und moralisch mehr als angemessen.
Und wie verhält es sich bei der taz? Die 22 Rechtsextremisten auf der Titelseite sind ausnahmslos durch politische Aktivitäten in die Öffentlichkeit getreten. Sie verfolgen nach ihrem Selbstverständnis öffentliche Funktionen und sind ihrerseits geistige Miturheber der Brandstiftungen, Prügel- und Mordanschläge gegen Ausländer und Angehörige von Minderheiten. Experten für Rechtsextremismus sind die 22 auf der taz-Titelseite bekannt – aber in den Massenmedien tauchen solche Leute selten auf. Ihre Taten waren der Mehrzahl der Medien bis vor kurzem keine Zeile wert. Natürlich haben auch diese Rechtsextremisten einen Anspruch auf Menschenwürde und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Sie haben aber nicht das Recht, zukünftige Straftaten zu generieren. Diese Leute drängen sich in ihr Segment der Öffentlichkeit, weil sie in die Hirne der potenziellen Brandstifter und Mörder – so die These der taz – hineinwirken wollen. Die taz kämpft gegen die gesellschaftlichen Bedingungen, die das ermöglichen. Die Veröffentlichung der 22 Porträts ist nicht vergleichbar mit der Verbreitung von Konterfeis angeblicher oder tatsächlicher Pädophiler durch die britische Presse. Die Anprangerung dieser Leute, deren Verurteilung teilweise bereits 20 Jahre zurücklag, diente deren persönlicher Stigmatisierung. Die taz-Veröffentlichung dient dazu, die Wirkungsmöglichkeiten der Rechten einzugrenzen.
Wir wollen daher klarstellen: Die FAZ mag tun, was sie für richtig hält, und die FR mag weiter lau baden. Es gibt publizistische, politische und juristische Gründe für die taz-Veröffentlichung. Und sie sollte fortgesetzt werden. JOHANNES EISENBERG
Der Autor ist Justiziar der taz
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