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DIE ÖFFENTLICHE EMPÖRUNG NACH HITLER-VERGLEICHEN IST ÜBERZOGENProblematischer Reflex

Roland Koch ist nicht das Problem. Ja, der Mann ist auf der Suche nach Schlagworten, die seinen Landtagswahlkampf anheizen. Darum verfiel er vor einigen Wochen auf dramatische Warnungen vor drohenden Pockenvirenattacken ausländischer Terroristen. Darum funktionierte er die Diskussion um einen EU-Beitritt der Türkei zur Warnung vor islamischen Zuwanderern um. Darum stellt auch sein Nazi-Vergleich mit einiger Wahrscheinlichkeit eine kalkulierte Provokation dar. In diesem Fall aber konnte der hessische Ministerpräsident sich nur Schlagzeilen verschaffen, weil eine liberale Öffentlichkeit inzwischen reflexartig und mit überzogener Empörung auf jeden Bezug auf das Dritte Reich reagiert.

Man muss Roland Koch nicht entschuldigen wollen, um diesen Mechanismus für problematisch zu halten. Historisch wie politisch hat Koch Unfug erzählt, das steht außer Frage. Persönlich hat er mit seinem Satz vom Judenstern einen unfreiwilligen Einblick in ein dunkles Herz gewährt. Trotzdem leidet die politische Debatte in Deutschland unter einem seltsamen Widerspruch: Wir können nicht einerseits das Dritte Reich – zu Recht – zur bestimmenden historischen Periode der deutschen Vergangenheit erklären, andererseits den rhetorischen, auch polemischen Rekurs darauf regelmäßig mit politischer Ächtung ahnden. Im Fall Däubler-Gmelin war nicht ihr politischer Vorwurf an Präsident George Bush ausschlaggebend (er lenke mit dem Krieg von innenpolitischen Schwierigkeiten ab), sondern die Verknüpfung mit dem Namen Hitler. Im Fall Lafontaine reichte es schon, den Bundeskanzler mit einem Vorvorgänger Hitlers, Heinrich Brüning, in Verbindung zu bringen, um Entrüstungsstürme zu entfachen. Letztlich schafft diese Praxis nur die Plattform, auf der Provokateure wie Koch agieren können.

Vergleiche der Gegenwart mit der NS-Vergangenheit, zutreffende und unselige, ziehen sich durch die gesamte bundesrepublikanische Nachkriegsgeschichte. Das Bewusstsein für die Schrecken des Naziregimes ist in dieser Zeit eher gestiegen. Den Vergleichen zum Trotz. PATRIK SCHWARZ

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