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DIE JÜNGSTEN VORWÜRFE GEGEN DEN IRAK SIND KEIN KRIEGSGRUNDManche Karten trumpfen nicht

Bisher haben die UN-Waffeninspektoren den Irakis Kooperationsbereitschaft bescheinigt. Selbst als sie jetzt erstmals einen von Saddams Palästen untersuchten, blieben Zwischenfälle aus. Dabei hatte vor vier Jahren die irakische Weigerung, den damaligen UN-Inspektoren die Palasttore zu öffnen, noch zu einer ernsthaften internationalen Krise geführt.

Wenn sich mit den UN-Waffeninspektionen bisher kein Casus Belli gegen Saddam Hussein konstruieren lässt, muss eben ein wenig weiter ausgeholt werden. Die Strategen in Washington und London, denen es nicht um die Massenvernichtungswaffen geht, sondern vor allem um einen Regimewechsel, spielen ein zweites Blatt aus. London veröffentlichte diese Woche einen erschreckenden Bericht über die Menschenrechtsverletzungen im Reich Saddams. Und US-Präsident Bush bestätigte seine Position, dass er jeden irakischen Beschuss von US-Flugzeugen in den Flugverbotszonen im Nord- und Südirak als „schwerwiegenden Verstoß“ gegen die UN-Resolution 1441 ansehe.

Doch beide Karten stechen nicht. Internationale Menschenrechtsorganisationen warfen London vor, ihre Arbeit für die eigenen Zwecke manipuliert zu haben. Sie erinnerten daran, das dieselben Regierungen, die jetzt Saddams Menschenrechtsverletzungen anprangern, sie ohne Probleme hingenommen haben, als Saddam noch ein Verbündeter war. Und Washingtons Konstruktion, dass der Beschuss seiner Kampfjets die UN-Resolution verletzte, ließ die anderen Sicherheitsratsmitglieder ungerührt. Alle wissen, dass diese Flugverbotszonen nie von der UN und damit vom internationalen Recht gedeckt worden sind, sondern einseitig von Washington, London und damals Paris ausgerufen worden waren.

Beides, Menschenrechte und Flugverbotszonen, taugen wenig, um den Krieg anzuzetteln. Dazu wäre der Bericht, in dem der Irak bis Sonntag alle Massenvernichtungswaffen auflisten soll, schon geeigneter. Indem Bush öffentlich erklärte, er erwarte keine vollständige und glaubwürdige Liste, hat er seine nächste Karte gespielt. Ob sie trumpft, wird aber nicht von Bush, sondern vom UN-Sicherheitsrat entschieden. KARIM EL-GAWHARY

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