DIE INNENMINISTER TESTEN IHRE GRENZEN AUS – DIE GRÜNEN SCHAUEN ZU: Nur keine menschlichen Reg(el)ungen
Das Schöne an den Treffen der Innenminister aus Bund und Ländern ist ihre demonstrative Harmonie. Polemischer Streit und parteipolitische Scharmützel sind den Ordnungspolitikern fremd. Während sich Opposition und Regierung im Bundestag gegenseitig Wahllügen um die Ohren hauen, mit Untersuchungsausschüssen drohen und wegen kleiner Details wichtige Gesetze im Bundesrat blockieren, setzen sich die Innenminister zum gemütlichen Kamingespräch zusammen und finden friedlich Gemeinsamkeiten. Ausnahmen wie beim Bundeswehreinsatz im Inland bestätigen die Regel. Daran hat sich nichts geändert, seit die Grünen in Bund und Ländern mitregieren.
„Dem Prinzip der Einstimmigkeit folgend“, wurden auch gestern Beschlüsse gefasst, mit denen von Günther Beckstein bis Otto Schily alle Beteiligten leben können. Hauptsache, die Handlungsfähigkeit der Polizei und der Ausländerbehörden wird unter Beweis gestellt, wie Gastgeber Kuno Böse (CDU) zufrieden bilanzierte. Die Folgen müssen schließlich andere ausbaden. Die Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo etwa, deren „Rückführung“ trotz der Bedenken des deutschen UN-Sondergesandten Michael Steiner „so schnell wie möglich“ beginnen soll. Selbst nach Afghanistan wollen die Minister abschieben, wenn die betreffenden Personen „die innere Sicherheit gefährden“. Für den Schutz des deutschen Staates ist alles recht – und seien es biometrische Merkmale in Ausländerdokumenten, vor denen Datenschützer warnen.
Es ist naiv, von Innenministern menschliche Reg(el)ungen zu erwarten. Das entspricht nicht ihrem Selbstverständnis. Und so schwindelerregend ihre Beschlüsse sind, eines kann man ihnen nicht vorwerfen: dass sie gelogen haben. Beckstein und Schily lieferten sich schon im Wahlkampf einen absurden Wettstreit um die härteste Position. Nun testen sie aus, wie weit sie gehen können. Die Grünen? Ja, gibt’s noch. Aber ihre Rolle in der Innenpolitik ist nur noch tragikomisch. Rhetorisch in der Opposition, praktisch bei Ministerrunden nicht vorhanden, und wenn es darauf ankommt, tragen sie alle Beschlüsse mit. LUKAS WALLRAFF
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