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DIE IN KABUL AUFGEDECKTE VERSCHWÖRUNG IST EIN HEILSAMER HINWEISInkompetente Verschwörer

Die Verschwörung gegen die afghanische Interimsregierung lässt aufhorchen. Nicht weil es sie gab, sondern weil sie rechtzeitig aufgedeckt wurde. Denn der Bürgerkrieg hatte unter den staatlichen Institutionen vor allem die Sicherheitsdienste zerstört. Armee wie Polizei waren zu reinen Machtinstrumenten von Kriegsparteien wie den Taliban verkommen. Als diese vor vier Monaten aus Kabul verschwanden, fiel auch der Sicherheitsapparat in sich zusammen. Doch ist die Aufdeckung dem Konto der Karsai-Administration gutzuschreiben?

Das Komplott zeigt am ehesten die Handschrift von unzufriedenen Kommandanten der Mudschaheddin-Gruppen, die sich um den Preis ihrer langjährigen Intrigen und Guerillaeinsätze betrogen fühlen. Allen voran gilt dies für Gulbuddin Hekmatjar. Dessen Hezbe Islami ist marginalisiert, seitdem sie von Pakistan fallen gelassen wurde, weil die Taliban eine bessere Rendite versprachen. Bei der Bonner Konferenz zur Einrichtung einer Übergangsregierung in Afghanistan war Hekmatjar überhaupt nicht vertreten. Auch lehnte er das Abkommen als „illegal“ ab.

Aber es wäre gefährlich, sich jetzt auf Hekmatjar einzuschießen. Und es wäre gar verhängnisvoll, die Aufdeckung des Komplotts als Indiz dafür zu interpretieren, dass die Interimsadministration Fuß gefasst hat. Es gibt neben Hekmatjar eine ganze Reihe von Leuten, denen nichts lieber wäre, als die Stabilisierung des Landes im Prozess der Loja-Dschirga-Wahl zu hintertreiben. Dies gilt umso mehr, als die Früchte des Sieges über die Taliban weitgehend für die Fraktionen der Nordallianz reserviert geblieben sind.

Westliche Diplomaten argumentieren, dass sich eine breitere Machtverteilung erst mit dem Loja-Dschirga-Prozess und dann in allgemeinen Wahlen bewerkstelligen lässt. Das Argument mag zutreffen. Aber es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass dieser Prozess nicht aus dem Gleis geworfen wird. Deshalb mutet es seltsam an, dass sich jetzt in Genf die westlichen Länder darum streiten, als erste beim Aufbau einer neuen Nationalarmee dabei zu sein. Gleichzeitig scheuen dieselben Länder davor zurück, die in Kabul stationierte Sicherheitstruppe für den Schutz der Wähler einzusetzen. Der langfristige Plan eines Armeeaufbaus wird aber wie eine Seifenblase platzen, wenn es nicht gelingt, die Loja Dschirga ordnungsgemäß über die Runden zu bringen. Das jüngste Komplott in Kabul ist ein heilsamer Hinweis auf die vielen Feinde des „Bonner Prozesses“. Dessen Aufdeckung bestätigt nur die Inkompetenz der Verschwörer – und nicht die Fähigkeiten der Staatsorgane. BERNARD IMHASLY

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