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DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT BRINGT GELD FÜR ZWANGSARBEITER NICHT AUFBlamabel und peinlich

Die deutsche Wirtschaft wird immer dreister. Nein, man werde die 5 Milliarden Mark, die private Unternehmen in den Stiftungsfonds für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter einzahlen sollen, nicht zusammenbringen. 1,8 Milliarden fehlen noch, und da, so die Wirtschaft, müsse der Bund einspringen. Genauer: Die rund 400 Millionen Mark von Unternehmen mit hohem Staatsanteil, also Telekom, Deutsche Bahn und ähnliche, müssten dem Anteil der Wirtschaft zugerechnet werden, nicht dem Bundesanteil. Arme Hascherl!

Muss man der Wirtschaft wirklich vorrechnen, welche Unternehmen in diesem und dem letzten Jahr Rekordgewinne verzeichnet haben? 1,8 Milliarden Mark – das ist nicht einmal ein Viertel des Gewinns nach Steuern von 7,5 Milliarden Mark, den die Deutsche Bank allein im ersten Halbjahr 2000 eingefahren hat. 1,8 Milliarden Mark, das war nicht einmal ein Zehntel des DaimlerChrysler-Gewinns von 22,5 Milliarden Mark im Jahr 1999. 1,8 Milliarden Mark – das war nicht mal die Mindeststeigerungsrate bei den Angeboten für die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen. Aber 1,8 Milliarden Mark Zwangsarbeiterentschädigung kann die Wirtschaft nicht aufbringen. Man möchte den Herren gerne einmal im Dunkeln begegnen.

Dabei werden die Unternehmen vom deutschen Staat ohnehin auf Rosen gebettet, was ihren Anteil an den Entschädigungsleistungen angeht – immerhin sind die Beiträge komplett von der Steuer abzusetzen. Das Argument, dass Großverdiener wie Deutsche Bank und DaimlerChrysler tatsächlich zahlen, zieht da nicht. Wenn andere wie Rewe, Adidas, Tchibo, Edeka, Spar, Schlecker, Motorola nicht zahlen wollen, dann ist es Sache der Wirtschaft, das Geld, zu dessen Zahlung sie sich immerhin verpflichtet hat, trotzdem aufzubringen – dann müssen manche eben mehr einbringen als nur das eine Tausendstel des Jahresumsatzes. Nur: In einem Wirtschaftssystem, das es zum Prinzip erhoben hat, allen anderen Krähen möglichst die Augen auszuhacken, gilt die freiwillige Zahlung als Dummheit und Moral als Luxus.

Die Bundesregierung darf sich auf die unverschämten Forderungen nicht einlassen. Andererseits muss sie aber darauf hinwirken, dass sich die Zahlungen an die ehemaligen Zwangsarbeiter nicht weiter verzögern. Die ehemaligen Opfer dürfen nicht weiter unter den Frechheiten der deutschen Unternehmen leiden. Auch wenn man darüber eigentlich nicht laut nachdenken sollte, wird es vielleicht nötig sein, eine bestimmte Summe vorzufinanzieren, um sie im Anschluss wieder einzutreiben. Dann aber mit Nachdruck. Freiwilligkeit kann dabei kein Maßstab sein.

BERND PICKERT

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