piwik no script img

DIE DEBATTE ÜBER ROT-ROT-GRÜN IST ÜBERFLÜSSIG – UND BLEIBT EIN HITSchröder in Verdacht

Man kann bei Lloyd’s getrost sein ganzes Geld verwetten. Eine Koalition aus SPD, Grünen und PDS wird Deutschland in den nächsten vier Jahren nicht regieren. Ist die Debatte also überflüssig?

Ja. Sie ist allerdings auch nicht überflüssiger als viele andere Diskussionen in der leicht erregbaren Berliner Medienrepublik, und schon allein das reicht, um der Debatte eine gewisse politische Relevanz zu geben. Dahinter steckt der Wunsch der Union, Schröder mit einer aufgehübschten Rote-Socken-Kampagne aus der politischen Mitte zu vertreiben. Nicht ohne Grund ist die Diskussion über Rot-Rot-Grün am Sonntag von konservativen Zeitungen losgetreten worden. Dass sie dabei auf eine Äußerung der grünen Fraktionschefin Kerstin Müller vom vorletzten Wochenende zurückgreifen mussten, sagt alles über die tief empfundene Aufrichtigkeit der Erregung im Stoiber-Lager.

Dass die Medien allerdings auf Äußerungen der Fraktionschefin zurückgreifen konnten, sagt ebenfalls einiges, und zwar über die politischen Träumereien so mancher grüner Politiker. Sie sehnen sich nach einem linken Profil ihrer Partei. Weil sie das im eigenen Laden allerdings nicht mehr durchsetzen können, setzen sie jetzt auf die PDS als eine Art Mehrheitsbeschaffer – für das „linke“ Lager im Bund und für die Ströbeles bei den Grünen. Zu beidem kann man nur herzlich gratulieren. Wer seinen gefährlichsten politischen Gegner derart aufbaut, der sollte schon mal das fehlerfreie Buchstabieren des Wortes „Fünfprozenthürde“ üben.

Der heikelste Punkt für die rot-grüne Koalition besteht jedoch darin, dass sie die ganze Debatte bis zum Herbst nicht mehr loswird. Das wiederum liegt nicht an den Grünen, sondern an Schröder. Dessen Kurs gegenüber der PDS ist mittlerweile so pragmatisch, dass man ihn getrost auch gewissenlos nennen kann. Es ist ja richtig, was Schröder sagt: dass man auf Landesebene mit der PDS koalieren kann, das gleiche sich auf Bundesebene jedoch verbietet. Nur, viele glauben dem Kanzler einfach nicht mehr, dass dies seine feste Überzeugung ist, für die er sich notfalls vierteilen lassen würde. Dieser Verdacht, und sei er noch so falsch, reicht, um aus der rot-rot-grünen Debatte einen Schlager des Jahres 2002 zu machen. JENS KÖNIG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen