DIE BUNDESWEHR BEKOMMT MEHR GELD – EGAL WOFÜR: Bloß keine Nachfragen
Vor einer Woche noch musste Rudolf Scharping das nahe Ende seiner Ministerkarriere fürchten. Viele Beobachter gaben ihm nur noch bis nach der Hamburger Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag. Jetzt hat niemand mehr Sinn und Zeit für Witze über Rudi und die Gräfin. Das Thema Rücktritt ist selbst bei der Opposition kein Thema mehr.
Doch nicht nur die Liebesflüge nach Mallorca hatten Scharping gefährdet. Auch der Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee mit Wehrpflichtigen und einem engen Netz von Standorten in ganz Deutschland hin zu einer kleinen und mobilen Interventionsarmee kam nicht voran. Dem Minister fehlte der Mut oder die Kraft, zwischen diesen beiden Optionen zu entscheiden. Beides war nicht zu finanzieren.
Denn Gerhard Schröder unterstützte seinen Finanzminister Hans Eichel mit dessen Weigerung, den Wehretat aufzustocken. Das mit gutem Grund: Dem Kanzler war klar, wie unpopulär es sein würde, den strikten Sparkurs ausgerechnet mit der Bundeswehr zu durchbrechen, deren künftige Aufgaben auch die Regierung nicht überzeugend darstellen konnte. Doch das zählt nun nicht mehr. Das Allerheiligste der rot-grünen Koalition, die Senkung der Neuverschuldung, darf angetastet werden. Schröder machte Eichel am Wochenende deutlich, dass das Vetorecht des Finanzministers in Bezug auf die künftigen Ausgaben für das Militär nicht mehr gilt: Alles, was für die Bundeswehr gebraucht werde, habe Eichel zu bedienen.
Scharping kann derweil bedeuten, er käme sich wenig anständig vor, wenn er die Gunst der Stunde nutzen wollte, um mehr Geld für seinen Etat zu verlangen. Wer von Politikern umgeben ist, die einem zusätzliche Milliarden geradezu aufdrängen, wäre dumm, wenn er selbst eigene Forderungen stellte. Die Entscheidung zwischen einerseits einer traditionellen Armee mit Wehrpflicht, hoher Personalstärke und entsprechend vielen Standorten, andererseits einer für Interventionseinsätze ausgerüsteten Berufsarmee kann damit vertagt werden – erst einmal wird das Geld fließen.
Zunächst mag diese Entwicklung widersprüchlich erscheinen. Haben doch die Anschläge von New York und Washington gezeigt, dass weder die traditionelle Struktur der Bundeswehr mit großen stehenden Heeren und schweren Kampfpanzern noch die geplante neue, viel flexiblere Bundeswehr vor den wahren Bedrohungen schützen könnte. Doch genau dies kommt Scharping nun zugute: Da es nur den abstrakten Ruf nach höheren Ausgaben für die Sicherheitskräfte und einer stärkeren Bundeswehr gibt, wird er sich hüten, die Frage zu stellen, wofür er die zusätzlichen Mittel eigentlich ausgeben soll. ERIC CHAUVISTRÉ
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