DFB-Team gewinnt in den USA: Fast schon wieder perfekt
Julian Nagelsmann ist bei seinem Debüt als Bundestrainer der gefeierte Mann. Nach dem 3:1-Sieg in den USA herrscht eine geradezu euphorische Stimmung.
Wer bei der Europameisterschaft im nächsten Jahr auf Gastgeber Deutschland setzen und noch eine halbwegs gute Quote einstreichen möchte, der sollte sich beeilen. Nach dem erfolgreichen Debüt von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Samstag im US-amerikanischen Hartford verkehrt sich die Untergangsstimmung der letzten Monate, die von Rudi Völler und Co beim letzten Auftritt gegen Frankreich zumindest gebremst werden konnte, verblüffend schnell in ihr komplettes Gegenteil.
Julian Nagelsmann war der gefeierte Mann nach dem 3:1-Erfolg gegen die USA. Das Team hatte er mit dem Einbau des erfahrenen Mats Hummels schließlich nur nuanciert verändert. Dass er auf den letzten Veränderungen seiner Vorgänger aufbaute und Pascal Groß sowie Jonathan Tah das Vertrauen gab, konnte zudem als Signal verstanden werden, nicht alles neu erfinden zu wollen.
Und doch überwog nach dem Abpfiff auch innerhalb der Mannschaft der Eindruck, es sei da an diesem Abend etwas ganz Neues entstanden. Kapitän İlkay Gündoğan, der in der DFB-Elf gestalterisch auffiel wie schon lange nicht, stellte fast schon ehrfürchtig fest: „Es war eine Art und Weise von Fußball, die etwas anders ist.“ Und Niklas Füllkrug lobte: „Die Dinge ziehen, die wir angehen. Die Ideen des Trainers haben Kraft und bringen uns aufs nächste Level.“
Die Gemütsempfindungen im Fußball sind recht volatil. In den letzten Zügen der Ära Hansi Flick vor wenigen Wochen vermittelte dieser selbst die Überzeugung, der deutsche Fußball hinke dem japanischen gefühlt um Jahrzehnte hinterher.
Zum damaligen Zeitpunkt hätte sich keiner ausdenken können, dass nur zwei Spiele später die Analysten sich in ähnlicher Genauigkeit wie mit dem Spiel auch mit dem offenen Holzfällerhemd beschäftigen würden, das der neue, um Lässigkeit bemühte, Bundestrainer zu seinem Einstand trug. Lediglich bei der offiziellen Pressekonferenz zog er sich die DFB-Jacke mit Adler und Hauptsponsor auf der Brust über.
Ungestümer Drang nach vorne
Nüchtern betrachtet wäre allerdings die Bewertung von Nagelsmanns Premiere längst nicht so euphorisch ausgefallen, wenn das DFB-Team nicht auch gewisse Schwachstellen aufgezeigt hätte. In der ersten Hälfte war der Auftritt wenig ausbalanciert. Beim zu ungestümen Drang nach vorne stand die Absicherung gegen die schnellen Gegenangriffe der US-Offensive zu unsortiert.
So fiel der Führungstreffer von Christian Pulisic in der 28. Minute, so kamen obendrein weitere gute Gelegenheiten der Gastgeber zustande. Nagelsmann erkannte das Problem, sprach es in der Kabine an und gab dem Team Lösungsvorschläge mit auf den Weg, die sich sichtbar niederschlugen. Die Umstände waren wie gemalt für ein Trainerspiel.
Offensiv war die Nagelsmann-Elf sowieso über die ganze Spielzeit auffällig aktiv. Die Küken im eher betagten Team, Florian Wirtz (20) und Jamal Musiala (20) sorgten mit dem formstarken Leroy Sané für mächtig Schwung und Durchschlagskraft. Dass die DFB-Elf nach dem Rückstand nicht konfus wurde und noch vor der Pause durch Gündoğan ausglich, konnte sich Nagelsmann ebenfalls auf die Fahnen schreiben. Nagelsmann erinnerte, dies sei in der Vergangenheit ja nicht immer so gewesen. Nötig war der Hinweis eigentlich nicht. Die Erinnerungen sollten noch frisch genug sein.
In einer anderen Zeitsphäre gelandet
Andererseits war die Stimmung in Hartford so anders, als wäre der DFB nicht nur in einer anderen Zeitzone, sondern auch in einer anderen Zeitsphäre gelandet. Nagelsmann resümierte: „Es war nicht alles perfekt, aber das ist gut. Ich arbeite gern.“ Es gibt also noch ein wenig Raum bis zum Idealzustand. Nur wenige hätten es wohl bis vor Kurzem für möglich gehalten, dass ein deutscher Bundestrainer aus dieser Erkenntnis seine Zufriedenheit zieht, ohne dafür verspottet zu werden.
Mit Blick auf die nächste Partie am Dienstag (Ortszeit) gegen Mexiko in Philadelphia erklärte er: „Jetzt haben wir ein Spiel gewonnen. Und es wäre ganz gut, wenn wir auch noch das zweite gewinnen.“ Nagelsmann tritt erstaunlich forsch auf. Als ob das normal wäre. Ein deutsches Nationalteam, das drei Spiele hintereinander gewinnt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?