DAAD-Experte zu Erasmus während Corona: „Aussetzen oder verschieben“
Was wird aus mir und dem Erasmus-Stipendium? Muss ich jetzt nach Hause und wer bezahlt das alles? Antworten auf Fragen von im Ausland Studierenden.
taz: Herr Geifes, wegen der Corona-Pandemie schließen in ganz Europa Universitäten, es werden Präsenzveranstaltungen abgesagt oder der Semesterbeginn verschoben. Was bedeutet das für deutsche Studierende im Erasmus-Austausch?
Stephan Geifes: Für die Studierenden ist das eine schwierige Situation. Die Europäische Kommission hat sehr frühzeitig gesagt, dass man den Aufenthalt abbrechen kann, und dass die Kosten für eine Rückreise im Rahmen der „force majeure“-Regelung unter bestimmten Bedingungen erstattet werden können. Die Kosten, die für den Rückflug, weitere Mietzahlung oder dergleichen entstehen, können bis zur Höhe des ursprünglich zugesagten Stipendiums an der Heimathochschule abgerechnet werden. Die Europäische Kommission hat zudem vor zwei Tagen weitere Details kommuniziert: Wenn man Onlinekurse der Gasthochschule belegt, die dazu beitragen, das ursprüngliche „learning agreement“ zu erfüllen, kann das Stipendium weitergezahlt werden – unabhängig davon ob man im Gastland bleibt oder nach Hause fährt.
Was empfehlen Sie Studierenden, die sich im Ausland aufhalten? Abbrechen oder bleiben?
Wir empfehlen Studierenden zunächst einmal, derzeit nicht ins Ausland zu reisen. Es gibt eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Die Europäische Union ist groß, die Situation in den Ländern ist unterschiedlich. Denjenigen, die sich in ausgewiesenen Risikogebieten des Robert Koch-Instituts befinden, empfehlen wir, nach Deutschland zurückzukehren. Die anderen müssen das selbst entscheiden.
Wird es die Möglichkeit geben, den Auslandsaufenthalt erneut anzutreten?
51, ist Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD und promovierter Historiker.
Erasmus-Studierende haben die Möglichkeit, in jedem Studienabschnitt, also während der Bachelor-, der Master- und der Promotionsphase, bis zu zwölf Monate ins Ausland zu gehen. In diesem Umfang ist dann auch ein Neuantritt möglich. Konkret: Sie wollten für vier Monate nach Italien, müssen das jetzt nach einem Monat abbrechen, dann können Sie sich während dieses Studienabschnitts erneut für bis zu elf Monate bewerben. Es zählt die Zeit, die bereits gefördert wurde.
Was geschieht mit geplanten Auslandsaufenthalten in diesem Sommersemester und dem kommenden Wintersemester?
Man kann derzeit keine gesicherten Prognosen abgeben. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Fest steht: Je näher der Antritt eines Auslandssemesters ist, desto schwieriger wird es.
Was empfehlen Sie internationalen Stipendiat*innen, die sich derzeit in Deutschland aufhalten?
Wir empfehlen engen Kontakt zu ihrer Gast- und Heimathochschule zu halten und sich darüber zu informieren, welche Studieninhalte sie im Moment digital belegen können. Was wir sowohl den ausländischen Studierenden in Deutschland, als auch den deutschen Studierenden im Ausland ausdrücklich nahe legen, ist, sich an die lokalen Vorgaben zur Nichtverbreitung des Virus zu halten. Allen ausländischen DAAD Stipendiatinnen und Stipendiaten haben wir angeboten, ihr Stipendium auszusetzen oder zu verschieben. Stipendiaten, die aufgrund der aktuellen Krisensituation nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, werden bis auf weiteres weitergefördert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen