Cybercrime-Abkommen: Daten auf Weltreise
Bürgerrechtler kritisieren den Gesetzentwurf zur Verbrechensbekämpfung. Kommt auch die CIA an deutsche Verbindungsdaten?
Ab Anfang nächsten Jahres sollen deutsche Telekommunikationsanbieter ein halbes Jahr lang speichern, wer wann mit wem per Telefon oder Internet kommuniziert. Diese sensiblen Daten könnten bald laut einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung auch an Länder wie Aserbaidschan oder Russland gehen.
Diese beiden Länder haben zusammen mit Deutschland und 50 anderen Staaten aus Amerika, Afrika und Asien die "Convention on Cybercrime" erarbeitet. Das Abkommen soll regeln, wie sich die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Computerkriminalität gegenseitig unterstützen. Deutschland hat den Vertrag bisher nicht ratifiziert, will dies aber laut einem Gesetzesentwurf von Ende September tun.
Datenschützer und Bürgerrechtler kritisieren die Convention und den Regierungsentwurf scharf: "Ausländische Staaten mit teilweise sehr zweifelhaften Datenschutzbestimmungen kommen durch diese Gesetze und Verträge an detaillierte Angaben über unser Privatleben und unsere sozialen Beziehungen heran", sagt Patrick Breyer, ein Jurist, der für die Bürgerrechtsorganisation Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung arbeitet, "was soll eigentlich Staaten wie Russland künftig hindern, mithilfe solcher Daten nachzuvollziehen, wen Regimegegner im Ausland so alles kennen?" Auch weniger drastische Konsequenzen sind für Breyer gravierend: "In außereuropäischen Staaten besteht die Gefahr, dass Menschen aufgrund der übermittelten Daten als Sicherheitsrisiko gelten und ihnen die Einreise verweigert wird."
Das Bundesjustizministerium weist solche Vorwürfe zurück: "Solche Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage", sagt ein Sprecher von Ministerin Brigitte Zypries (SPD). Rechtshilfe zwischen verschiedenen Staaten habe es auch bisher schon gegeben. Wenn ein anderer Staat nach deutschen Daten frage, werde nach bewährten Grundsätzen entschieden, ob diese auch herausgegeben werden. Die Hilfe könne beispielsweise verweigert werden, wenn das anfragende Land in einer politischen Straftat ermittelt, aber auch aus Gründen des Datenschutzes. Die Botschaft des Zypries-Ministeriums ist klar: "Bisher läuft alles nach rechtsstaatlichen Verfahren. Eigentlich ändert sich nichts."
Das stimmt so nicht ganz. Zunächst einmal gibt das Justizministerium selbst zu, dass auch Länder, mit denen bisher kein Rechtshilfeabkommen besteht, künftig leichter an deutsche Vorratsdaten herankommen könnten. Südafrika zählt laut dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung dazu, das Ministerium nennt bisher keine Staatsnamen.
Des Weiteren musste Justizministerin Zypries bei einer Pressekonferenz am Freitag eingestehen, dass Deutschland ein anderes Land nicht dazu zwingen kann, die herausgegebenen Daten auch wieder zu löschen: "Wenn die Spanier ermitteln, dann tun sie das nach ihrem Recht, da gehen wir doch nicht hin und gucken, wie lange die dort speichern."
Weiterhin ist fraglich, ob nicht auch ausländische Geheimdienste an sensible Daten aus Deutschland herankommen. Zwar ist das Cybercrime-Abkommen nur eines zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Unterzeichnerländer und deswegen wird Deutschland die Daten nicht nach einer direkten Anfrage der amerikanischen CIA übergeben. Kritiker bemängeln aber, dass solche Einschränkungen unerheblich sind, wenn die Daten einmal an die Polizei eines anderen Staates vergeben worden sind. "Wer will denn prüfen, ob das Material dort nicht einfach an einen Dienst weitergegeben wird", fragt Bürgerrechtsjurist Breyer. In vielen Staaten gebe es diesbezüglich gar keine oder nur unzureichende Regeln.
Breyer ist mit dieser Kritik nicht allein. Ähnliches moniert auch die Artikel-29-Datenschutzgruppe, ein unabhängiges Beratungsgremium der EU, in einem Gutachten: Die Nicht-Mitgliedsstaaten des Europarates seien bezüglich der Cybercrime-Konvention nicht dazu verpflichtet worden, "Garantien und Vorraussetzungen im Einklang mit internationalen Menschenrechtsinstrumenten" einzuführen oder sich daran zu halten.
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