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Cyberattacken auf Bür­ger­meis­te­rGiffey und der falsche Klitschko

Mehrere EU-Bürgermeister sind auf Fake-Video-Anrufe hereingefallen. Darin gaben sich Unbekannte als der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko aus.

Reingelegt: Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wurde Opfer eines Cyber-Angriffs Foto: Michael Sohn/ap

Berlin taz | Am Samstag gab der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko schließlich ein echtes Video-Statement ab. Der weltberühmte Box-Champion sagte in die Kamera: „Bei mehreren Bürgermeistern in Europa hat sich ein falscher Klitschko gemeldet, der absurde Dinge von sich gegeben hat.“ Das sei kriminell und müsste dringend aufgeklärt werden.

Dann sagt Klitschko noch ein paar Dinge, die für staatliche Stellen selbstverständlich sein sollten: „Bitte passt künftig auf, wenn Termine mit mir vermittelt werden. Offizielle Gespräche kann es nur über offizielle Kanäle in Kiew geben.“ Außerdem fügt er noch hinzu, dass er deutsch und englisch spricht: „Ich brauche nie einen Übersetzer!“ Umso peinlicher ist es für Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), dass sie am Freitagnachmittag eine halbe Stunde lang mit einem Übersetzer auf russisch mit einem Fake-Klitschko gesprochen hat.

Das Gespräch endete erst, nachdem es laut Berliner Senatskanzlei eigenartige Wendungen nahm. Der falsche Klitschko soll gefragt haben, wie man damit umgehe, dass sich Ukrai­ne­r:in­nen Sozialleistungen erschleichen und ob Berlin nicht dabei helfen könne, einen Christopher-Street-Day in Kiew zu organisieren.

Einen Anruf beim ukrainischen Botschafter später sei klar gewesen, dass man nicht mit dem echten Klitschko gesprochen habe. Kurz nach dem Gespräch sagte Giffey, dass Krieg mit allen Mitteln geführt werde – „auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündete zu diskreditieren.“ Wer hinter der Aktion steckt, ist unklar. Der Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamts ermittelt.

Wahrscheinlich ein „Deep Fake“

Laut Senatssprecherin handelte es sich allem Anschein nach um ein „Deep Fake“. Bei dieser Manipulationstechnik kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz, mit der sich Bewegtbilder authentisch manipulieren lassen. Mittlerweile bestätigten auch weitere Bürgermeister europäischer Städte, Opfer von Anrufen mit dem falschen Klitschko gewesen zu sein.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ist dabei gar nichts aufgefallen. Er bekräftigte danach peinlicherweise per Pressemitteilung, an der Seite der Ukraine zu stehen. Madrids Bürgermeister wurde nach mehreren Minuten Gespräch misstrauisch und brach es ab.

Klar ist nach dem Anruf in Berlin nur, dass die vermeintliche Anfrage aus Kiew nicht ausreichend geprüft wurde. Die kam per Mail am 2. Juni – und zwar von keiner behördlichen Adresse. Die Botschaft sei zwar durch den Senat informiert worden, aber niemand habe vor der Schalte noch einmal offiziell in Kiew nachgefragt. Die Berliner Polizei hielt sogar eine Satire-Aktion für möglich. Nach dem ersten, gescheiterten Versuch planen Giffey und Klitschko nun ganz offiziell ein Gespräch.

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4 Kommentare

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  • Bei Heinz Christian Strache und der sog. Ibiza Affäre waren sowohl der Politik als auch den Medien eine viel intensivere Täuschung/Vorgabe falscher Tatsachen recht und billig genug, um einen Politiker aus dem Amt zu jagen.



    Jetzt ermittelt auf einmal der Staatsschutz, in einer Sache, die kaum über das Niveau der früheren "Scherzanrufe" von Radiosendern hinaus geht.



    Mitnichten möchte ich eine Lanze für Heinz Christian Strache brechen, das liegt mir fern.

    Aber die moralische Bigotterie von Politik und Medien zeigt sich anhand dieses Beispiels einmal mehr.Was legitim war, um eine unliebsame Person von der politischen Bühne zu fegen, erschüttert heute die Demokratie in ihren Grundsätzen.



    Gibt es eigentlich eine Steigerung von Doppelmoral? :-)

  • Ein übler Scherz, der an diese Fernsehsendungen mit versteckter Kamera erinnert. Irgendwo lachen sich jetzt ein paar Leute kaputt.

    • @C.O.Zwei:

      Auch ich sehe es so, dass sich ein paar Leute kaputt lachen. Was aber an der Aktion kriminell sein soll - also strafbar - kann ich nicht verstehen.

      Vielleicht wolle gerade im Fall mit Giffey jemand einer Betrügerin einen Streich spielen. Ob der angemessen war, muss jeder für sich selbst entscheiden. Dass Giffey sich selbst mit ihrem Ehrgeiz, mehr zu scheinen als zu sein, beim Plagiieren ihrer Doktorarbeit strafbar gemacht hat, ist bekannt. Jeder Doktorand unterschreibt am Ende seiner schriftlichen Arbeit eine eidesstattliche Erklärung, dass er nicht ohne Hinweis abgeschrieben hat, also nicht die wissenschaftliche Arbeit von anderen als en eigenen Merit ausgegeben zu haben.

      Auch ihr Verhalten nach dem Bekanntwerden ihres Betrugs lässt den Verdacht aufkommen, dass sie als Ministerin des Bundes versucht hat die Prüfer der TU in ihrem Sinn zu beeinflussen.

      Giffey wurde letztendlich als Bundesministerin geschasst. Für dieses Amt war sie nicht mehr tragbar, aber als Regierende Bürgermeisterin der deutschen Hauptstadt reicht es ja - zumindest nach dem Verständnis der SPD.

      Ihr Instinkt und ihr Wissen reichten nicht aus um den Fake zu erkennen. Manche Berichte sprechen von einem Telefonat von 15 Minuten, andere von 30 Minuten. Wenn so jemand so gelinkt wird, was ist daran als kriminell zu bezeichnen?

      Frage: Ist es strafbar, wenn ich eine prominente Betrügerin unter einer falschen ebenfalls prominenten Identität anrufe? Wenn ich etwa behaupten würde, ich sei der Papst. Wenn ich mir dann Dinge von ihr anhöre, die vielleicht nicht für meine Ohren bestimmt sind. Und ich sie noch frage, ob sie mich bei der Organisation für einen Christopher-Street-Day im Vatikan unterstützen würde. Würde das auch die Polizei und den Staatsschutz (!) auf den Plan rufen?

      Auf alle Fälle hat sie bemerkt, wie es sich anfühlt, betrogen zu werden!

  • Die Politik sollte froh sein dass dieses Problem jetzt auf diese eher harmlose Weise hochgekommen ist.