Covid-Infektionen in Indien: Die Coronawelle vom Ganges
Indien verzeichnet täglich Rekordinfektionszahlen. Die Rufe werden lauter, das weltgrößte Hindufest und Wahlkampfveranstaltungen zu beenden.
Seit Mitte März waren Hunderttausende zu den rituellen Waschungen gekommen, die hier alle zwölf Jahre stattfinden. Unter den Pilger:innen sind Vertreter:innen religiöser Sekten, Akhara genannt. Erst der coronabedingte Tod des Führers der Maha Nirvani-Akhara rüttelte auf.
„Seitdem haben sich sieben der 13 Akhara zurückgezogen“, sagte Polizeikommissar Janmejay Khanduri am Sonntag der taz. Das Festival sei nicht beendet, doch die Besucherzahlen gefallen.
In Haridwar gilt seit dem Wochenende eine Ausgangssperre. Zuletzt gab das späte Zugeständnis des hindunationalistischen Premierministers Narendra Modi (BJP) den Ausschlag. Er rief am Samstag dazu auf, den Rest der Kumbh nur noch „symbolisch“ abzuhalten.
Wahlkampf in der Menschenmenge
Modi und seine Partei werden dafür kritisiert, dass sie nicht früher eingegriffen haben. Er hatte kürzlich noch auf einer Wahlkampfveranstaltung in Westbengalen eine riesige Menschenmenge begrüßt.
Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser
„Es ist das erste Mal, dass so viele Kranke und ein Rekord an Todesfällen zu verzeichnen ist“, klagt Oppositionsführer Rahul Gandhi. Seine Kongresspartei wirft Modi vor, locker zwischen Corona-Krisengesprächen und Wahlveranstaltungen zu wechseln.
Modi und Uttarakhands Ministerpräsident hatten bis vor Kurzen für eine sichere Kumbh geworben. Gesundheitsexpert:innen warnten schon. Der Ministerpräsident erkrankte kurz darauf an Corona.
Rajnish Kumar, der in Haridwar wohnt, sagt, ihm sei nicht klar gewesen, dass sich die Situation so zuspitzen könne. Der Mittzwanziger hatte mehrmals im heiligen Wasser gebadet. Seitdem sei er krank, doch sein Coronatest negativ.
Furcht um das Kumbh-Geschäft
Haridwars Bevölkerung fürchtet jetzt um ihr Kumbh-Geschäft. Und wie im Rest des Landes verzeichnen auch Uttarakhands Krankenhäuser einen Ansturm an Coronapatienten. In den sozialen Medien kursieren Hilferufe nach Krankenbetten, Sauerstoff oder dem Medikament Remdesivir. Selbst der Transportminister sucht per Twitter ein Bett für ein Familienmitglied.
Delhi, Mumbai und andere Städte und Regionen verlangen inzwischen von Rückkehrern von der Kumbh 10 bis 14 Tage Quarantäne. In vielen Teilen Indiens gelten bereits Wochenend- und Teillockdowns. Vor allem die indische Doppelmutation B.1.617 verbreitet sich schnell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles