Coronavirus trifft Einzelhandel: Notfall für den Einzelhandel
Hamsterkäufe heißt für Beschäftigten im Supermarkt Überstunden und erhöhtes Ansteckungsrisiko. Für andere Bereiche jedoch das Gegenteil.
„Der Schutz der Mitarbeiter und die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten“ sei momentan das Wichtigste, bestätigt Christian Böttcher vom Landesverband Lebensmittel (BVLH). „Die internen Prozesse laufen auf Hochtouren, Notfallpläne werden ständig überarbeitet“, sagte er am Telefon. „Lebensmittelverkauf heißt Menschen- und Kundenkontakt.“ Ein Spagat also, den Betrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Mitarbeitenden zu schützen.
„Natürlich, wenn man an der Kasse sitzt, hat man Kontakt mit den Produkten, die die Kunden in den Händen hatten.“ Um Mitarbeitende besser zu schützen, bekämen sie nun Schulungen zu den Grundregeln der Hygiene: Hände waschen, desinfizieren, Abstand halten, in die Armbeuge niesen. „Profane Dinge, die aber elementar sind. Das muss man immer wieder erklären. Viel hilft viel“, stimme hier tatsächlich. Außerdem stünden zusätzliche Desinfektionsspender parat.
Abseits von den Beschäftigten, die an der Kasse oder auf der Ladenfläche arbeiten, müssen auch etwa Logistiker*innen oder Lkw-Fahrer*innen geschützt werden. Logistikunternehmen seien zwar meist extern, aber in enger Abstimmung mit den Unternehmen, so Böttcher. Für jede Stufe gebe es Krisenpläne: Anlieferung in die Lager, Auslieferung und Verkauf in den Läden. Die Pläne sehen bei jedem Unternehmen anders aus. Je nach Größe und Organisationsstruktur. Alle 48 Stunden hätten sie im Verband eine Lagebesprechung, erklärt Böttcher. Stand Freitag: So weit keine Engpässe in den Lieferketten.
Hamsterkäufe vs. Nachfrageausfälle
Notfallpläne beinhalten beispielsweise: „Wenn Lager x ausfällt, springt y ein und z übernimmt eine andere Filiale mit“, erklärt der BVLH-Sprecher. „Aber wir können uns nicht klonen.“ Soweit man bestimmte Szenarien durchspielen könne, mache man das. Auch den Worst Case: „Irgendwo kommt vielleicht ein Punkt, wo wir kapitulieren müssen.“ Das wolle natürlich niemand und sei nicht in Sicht. Ehrlicherweise müsste aber auch das durchdacht werden, so Böttcher.
Die besondere Situation sieht auch Verdi Baden-Württemberg. Eine Lockerung der Arbeitszeiteinregelung während der Coronakrise lehnt sie deshalb nicht ab. Jedoch müssten die Betriebsräte mit einbezogen werden: „Es ist nicht die Zeit für die Klärung von Grundsatzfragen“, meint Martin Gross, Verdi-Landesbezirksleiter. „Die Beschäftigten im Handel klotzen gerade fast rund um die Uhr, teilweise in Sonderschichten, ran, um uns alle täglich mit den notwendigen Gütern zu versorgen. Bei aller Flexibilität, die in diesen Tagen von allen gefordert wird, darf der Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Handel nicht vernachlässigt werden“, fordert er.
„Sie dürfen nicht überlastet werden, damit die Versorgung mit Waren mittelfristig garantiert werden kann.“ Beim Schutz der Mitarbeitenden vor einer Ansteckung sieht er noch Luft nach oben. Weiter betont der Verdi-Landesbezirksleiter: „Solidarität und Flexibilität sind keine Einbahnstraße. Die Beschäftigten rackern gerade nicht für das riesige Umsatzplus ihrer Unternehmen, sondern für uns alle. Dafür können Sie von ihren Arbeitgebern mehr erwarten als Forderungen an die Politik, die Arbeitszeitregelungen zu lockern.“
Während die einen Überstunden schieben, weil Lebensmittel und Drogerieartikel boomen, kämpft der sonstige Einzelhandel. Viele Handelsunternehmen seien „massiv von Nachfrageausfällen betroffen“, schreibt der Handelsverband Deutschland nach einer aktuellen Trendumfrage am Freitag unter rund 700 Unternehmen. Ein Viertel der Handelsunternehmen fordere deswegen Maßnahmen, um die Situation dauerhaft stemmen zu können. Für kommende Woche befürchten drei Viertel der Unternehmen eine sinkende Nachfrage. Knapp die Hälfte rechne mit deutlichen Rückgängen.
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