Coronavirus in Südkorea: Virus versus Rechtsstaat

Während China mit Zwangsmaßnahmen gegen das Virus kämpft, muss Südkorea sein demokratisches System achten – und meldet immer mehr Infektionen.

Frauen mit Gesichtsmasken und Regenschirmen auf der Straße

Keine Ausgangssperre in Seoul, aber die Menschen tragen Mundschutzmasken Foto: Ahn Young-Joon/dpa

PEKING taz | Vielleicht hätte Südkorea den rasanten Virusausbruch der letzten Tage verhindern können, wenn eine 61-jährige Frau mit Fiebersymptomen der dringlichen Bitte der Ärzte gefolgt wäre, sich testen zu lassen. Doch sie besuchte stattdessen eine Messe der Shincheonji-Sekte mit mehr als tausend Teilnehmern. Dutzende oder gar viel mehr haben sich dort angesteckt und die Epidemie erst ins Rollen gebracht.

Im chinesischen Wuhan hingegen ziehen Behörden beim Kampf gegen das Virus andere Seiten auf: Anfang Februar filmt ein Bewohner von seinem Fenster aus, wie zwei Männer in Ganzkörperanzügen eine Metallbox von einem Wohnhaus auf einen Transporter hieven. Furchtbare Schreie sind hörbar, offenbar befindet sich eine Frau darin, die in Zwangsquarantäne gesteckt wird.

Nach China ist Südkorea das mit Abstand am stärksten vom Virus betroffene Land. Bis Mittwochnachmittag haben die Behörden über 1.260 Infizierte und 12 Tote bestätigt. Vor allem ist die 2,6-Millionen-Einwohner-Metropole Daegu im Süden des Landes betroffen. Dennoch bleiben dort die Restaurants und Cafés geöffnet.

In Peking hingegen ist das öffentliche Leben nach wie vor stillgelegt. Vor den Toren der Wohnsiedlungen wachen Mitglieder der Nachbarschaftskomitees, die jeden Besucher kontrollieren und Körpertemperaturen messen. Viele Millionen Städter mussten sich in den letzten Tagen für zwei Wochen in Zwangsquarantäne begeben. Familien, die sich seit Wochen nicht sehen können, oder gebrechliche Senioren, die nur dank Nachbarschaftshilfe versorgt werden: Es sind unglaubliche Opfer, die der Bevölkerung abgerungen werden.

Neuninfektionen gehen zurück

Doch sie scheinen sich zu lohnen. Abseits der Provinz Hubei gehen die Neuinfektionen seit rund zwei Wochen zurück. „Trotz berechtigter Kritik innerhalb und außerhalb Chinas an der anfänglichen Vertuschung des Krankheitsausbruchs werden Pekings Bemühungen um internationale Zusammenarbeit und Transparenz geschätzt“, sagt Mikko Huotari, Leiter der Berliner Denkfabrik Merics.

Der Virusausbruch stellt auch die liberale Demokratie auf die Probe

Der Virusausbruch stellt nicht nur die Gesundheitssysteme auf die Probe, sondern auch die Freiheiten der liberalen Demokratien. Als die Regierung in Südkorea eine mögliche Isolation der Stadt Daegu andeutete, fiel die Entrüstung konservativer Bevölkerungsschichten so stark aus, dass die Pläne sofort wieder in der Schublade verschwanden. Und nachdem in der Innenstadt Seouls ein Demonstrationsverbot ausgesprochen wurde, zogen dennoch christliche Gruppen auf die Straße.

In China hingegen gibt es keine regierungskritischen Demonstrationen – allerdings auch keine unabhängigen Medien, die die Intransparenz der Parteikader im Umgang mit dem Virus hätten anprangern können. „Die Anzahl der Fälle in Südkorea scheint zumindest teilweise so hoch, weil Korea gute Diagnosekapazitäten, freie Medien und ein demokratisch zur Verantwortung zu ziehendes System hat“, sagt der Korea-Forscher Andray Abrahamian.

Während sich Chinas Präsident Xi Jinping nach Ausbruch des Virus fast sieben Tage lang nicht in der Öffentlichkeit blicken ließ, besuchte sein südkoreanischer Amtskollege Moon Jae In umgehend die Stadt Daegu. Die Situation sei ernst, sagte das Staatsoberhaupt in gelber Arbeitsjacke und Mundschutz im Gesicht.

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