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Coronavirus in SerbienFolgenreiche Öffnung

Vor der Parlamentswahl wurden in Serbien die Corona-Maßnahmen überstürzt gelockert. Geleakte Infektionszahlen zeigen die verheerenden Folgen.

Volle Zuschauerränge in Serbien trotz Corona: Kein Mindestabstand bei Tennisturnier „Adria Tour“ Foto: Darko Vojinovic/Ap/dpa

BELGRAD taz | Als Anfang Juni in Serbien die Zahlen der Infektionen und Todesfälle durch das Coronavirus zurückgingen, musste plötzlich alles ganz schnell gehen: Die Regierung verkündete den Sieg im „Krieg“ gegen das Virus, beendete den Ausnahmezustand und schrieb geschwind Parlaments- und Kommunalwahlen für den 21. Juni aus. Zuvor musste aber noch der Eindruck von Normalität geschaffen werden.

Nicht nur Cafés und Restaurants öffneten wieder, sondern auch Fußballspiele und Konzerte mit Zuschauern erhielten eine Genehmigung. Dem Fußballderby zwischen Roter Stern Belgrad und Partizan wohnten offiziell 15.000 Zuschauer bei. Das Benefiz-Tennisturnier Adria Tour, organisiert vom serbischen Tennisspieler und Nationalhelden Novak Djoković, er sich selbst infizierte, fand am Tag vor den Wahlen statt – mit Zuschauern.

Zuvor hatte die serbische Regierung besonders harte Corona-Maßnahmen für das Land erlassen, etwa absolute Ausgangssperren für bis zu 84 Stunden. Menschen über 65 Jahren durften ihre Wohnungen gar nicht mehr verlassen.

Stimmen, die vor einem erneuten Aufflammen der Epidemie warnten, wurden von gleichgeschalteten Medien übertönt. Auf den serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vučić, der den Kampf gegen die Pandemie kommandierte und praktisch allein vor seiner Serbischen Fortschrittspartei die Wahlkampagne führte, durfte kein Schatten fallen. Vučić gewann die Wahlen mit einer Zweidrittelmehrheit, keine einzige Oppositionspartei schaffte es ins Parlament.

632 Corona-Tote in Serbien

Doch einen Tag nach den Wahlen veröffentlichte das Balkan Investigative Reporting Network BIRN einen geleakten Bericht über die tatsächlichen Corona-Zahlen. Offiziell hatte sich die Zahl der Neuansteckungen pro Tag wochenlang zwischen 60 und 90 bewegt – laut Bericht sollen sich in Wirklichkeit 300 bis 340 Menschen pro Tag angesteckt haben. Die gesamte Todeszahl soll nicht bei 240, sondern bei 632 Toten liegen.

Diese Zahlen zeigen die Folgen der überstürzten Öffnung. Doch wie immer, wenn Affären in Serbien aufgedeckt werden, kam von den Zuständigen keine Antwort. Präsident Vučić befindet sich derzeit auf einer Tournee durch Moskau, Washington und Brüssel. Mittlerweile sind die Krankenhäuser wieder voller Infizierter. Wer sich testen lässt, muss stundenlang Schlange stehen und dann tagelang auf die Ergebnisse warten.

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