piwik no script img

Coronavirus breitet sich ausSpahn sieht Beginn einer Epidemie

Der Gesundheitsminister fordert die Länder auf, ihre Pandemiepläne zu aktualisieren. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden drei neue Fälle bestätigt.

Geschlossen: Kitas im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen Foto: Jonas Güttler/dpa

Berlin/Shanghai afp/rtr/dpa | Das neuartige Coronavirus breitet sich in Deutschland weiter aus. In Nordrhein-Westfalen wurden am Mittwochabend mindestens drei weitere Ansteckungsfälle bestätigt. Rund um die Welt wurden unterdessen neue rigorose Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Erregers ergriffen: Saudi-Arabien untersagte die Einreise muslimischer Pilger, die USA und Südkorea verschoben gemeinsame Militärübungen.

Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums wurden drei weitere Menschen im Kreis Heinsberg positiv auf das Coronavirus getestet. Die drei Infizierten hatten Kontakt zu einem Ehepaar, dessen Ansteckung bereits zuvor nachgewiesen worden war. Wegen der neu nachgewiesenen Fälle will der Krisenstab des Kreises Heinsberg nun alle Besucher einer Karnevalsveranstaltung, die das erkrankte Ehepaar besucht hatte, erfassen,.

Der Kreis ruft am Donnerstag erneut seinen Krisenstab ein. Dort werde über die weiteren Schritte im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus beraten, sagte ein Sprecher am Donnerstag. „Das ist das Gute, dass wir keine neue Ansteckung haben, wo wir nicht wissen, wo sich die Patienten angesteckt haben“, sagte der Sprecher. „Das Gesundheitsamt arbeitet nun alle Kontaktpersonen ab. Und mit jedem Anruf weiß man wieder etwas mehr.“

Die Stadt Mönchengladbach teilte ihrerseits mit, die Coronavirus-Infektion sei bei einem Arzt festgestellt worden, der in einem dortigen Krankenhaus tätig sei. Der Mann befinde sich in häuslicher Quarantäne. Der Mediziner wohnt nach diesen Angaben im Kreis Heinsberg. Es war zunächst unklar, ob der Arzt zu dem vom Gesundheitsministerium genannten drei neu bestätigten Infektionsfällen gehörte oder es sich bei ihm um einen vierten Fall handelte.

In Mailand angesteckt

In Baden-Württemberg wurden bis Mittwoch vier Infektionsfälle nachgewiesen. Bei der ersten Infektion handelt es sich laut Landesgesundheitsministerium um einen 25-Jährigen aus Göppingen, der sich in Mailand angesteckt habe. Auch eine Reisebegleiterin und ihr Vater aus Tübingen wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Am Abend wurde ein weiterer Fall aus dem Landkreis Rottweil bekannt.

Außerdem wurde ein infizierter Soldat der Bundeswehr-Flugbereitschaft im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz positiv auf das Coronavirus getestet, wie der Sanitätsdienst der Bundeswehr via Twitter mitteilte. Das Robert-Koch-Institut rechnet mit weiteren Fällen in Deutschland.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwochabend, Deutschland stehe „am Beginn einer Coronavirus-Epidemie“. Es gebe eine „neue Qualität“ der Ausbreitung. Sie besteht laut Spahn darin, dass die Infektionsketten teils nicht mehr nachvollziehbar seien. Reisebeschränkungen oder ein generelles Verbot von Großveranstaltungen halte er zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht für verhältnismäßig, sagte der Minister.

„Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob unsere bisherige Strategie, das Virus einzugrenzen und Infektionsketten zu beenden, auch weiterhin aufgeht.“ Er habe deshalb die Gesundheitsminister der Länder gebeten, ihre Pandemiepläne zu aktualisieren und ein mögliches Inkrafttreten vorzubereiten.

Mehr Ansteckungen außerhalb als innerhalb Chinas

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren am Mittwoch erstmals mehr neu bestätigte Fälle von Ansteckungen mit dem Coronavirus außerhalb Chinas bekanntgegeben worden als innerhalb der Volksrepublik, von der die Epidemie im Dezember ihren Ausgang genommen hatte. Außerhalb Chinas wurden mittlerweile insgesamt mehr als 3.000 Infizierte und mehr als 40 Todesopfer in etwa 40 Ländern registriert.

Unter anderem meldeten Griechenland, Pakistan, Georgien und Nord-Mazedonien erste bestätigte Infektionen. Auch in Lateinamerika ist das Virus angekommen, Brasilien bestätigte den ersten Fall.

In Europa ist Italien am stärksten betroffen, dort waren die Infektionszahlen sprunghaft angestiegen. Weltweit sind mittlerweile über 80.000 Menschen infiziert, der Großteil davon in China. An den Börsen setzten sich die Kurseinbrüche aus Sorge um Einbußen für die Konjunktur fort.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Der Bundesgesundheitsminister hält Reisebeschränkungen für nicht nötig, irgendwann kommt aus seinem Munde die Bemerkung, "zu diesem Zeitpunkt würde eine Reisebeschränkung oder -Einstellung nichts mehr nutzen" kommen.

  • Wenn die Länder jetzt beginnen ihre Pandemiepläne zu "aktualisieren", dann ist Deutschland frühestens 2021 wirklich auf Corona vorbereitet.

    Allein die Vorstellung, wann die zuständigen Stellen endlich beginnen werden, die notwendigen und bereits weltweit knapp werdenden Materialien zu bestellen, lässt einen schaudern.

    Jens Spahn musste vermutlich zuerst klären, wer der nächste Bundeskanzler wird.

    Vorausschauendes Regieren geht anders.