Coronavirus breitet sich aus: 1.000 Betten in zehn Tagen
Ein Krankenhaus in Rekordzeit: Für Chinas Staatsführung ist der Bau ein Symbol für den Kampf gegen das Virus – und eine dringend nötige Erfolgsmeldung.
Noch rekordverdächtiger ist die Entstehungszeit: Kaum mehr als zehn Tage haben die Bauarbeiter vom Spatenstich bis zur Eröffnung benötigt. Die chinesische Staatsführung hat eine solche Erfolgsmeldung derzeit bitter nötig. Erneut sind über Nacht auf Dienstag die Anzahl an Infizierten und Toten so stark gestiegen wie nie zuvor. 425 Festlandchinesen sind dem neuen Lungenerreger bislang erlegen, bereits jetzt sind das deutlich mehr als noch während der Sars-Pandemie 2002 und 2003.
Gleichzeitig wurden über 20.000 Ansteckungen bestätigt, ein Vielfaches wird unter der Kategorie „Verdachtsfälle“ geführt. Für weitere Sorge sorgte zudem in Hongkong der zweite Virustote außerhalb Festlandchinas. Mit 39 Jahren war das Opfer, das zuvor nach Wuhan gereist war, im Vergleich außerordentlich jung.
Mit erstaunlich selbstkritischem Duktus trat das Politbüro unter Vorsitz von Präsident Xi Jinping am Dienstag an die Öffentlichkeit: „Wir müssen die Erfahrungen zusammenfassen und Lehren daraus ziehen“, hieß es in einem über das Staatsfernsehen verlauteten Statement. Die „Mängel“ im Gesundheitssystem müssten beseitigt und das Krisenmanagement muss verbessert werden.
Das neue Spital sorgt für Entlastung
Für die Kommunistische Partei ist dies ein seltenes Eingeständnis von eigener Schuld. Gemeint ist unter anderem, dass ein Arzt, der erstmals in der Öffentlichkeit über das Virus informiert hat, von den Behörden wegen „der Verbreitung von Gerüchten“ verhaftet wurde.
Hätten die Behörden damals anders reagiert, käme es möglicherweise nicht zu jenen Szenen in Wuhan, die zuhauf auf Videoaufnahmen in den sozialen Medien geteilt wurden: hoffnungslos überfüllte Spitäler, von Ärzten abgewiesene Neuankömmlinge und verzweifelte Hilferufe von Patienten. Die Versorgungslage war vor allem in der letzten Woche noch kritisch.
Ein wenig für Entlastung sorgt nun das neu errichtete Krankenhaus. Akribisch haben die Staatsmedien jeden Schritt der Bauarbeiten live gestreamt. Noch Ende Januar waren auf der Brachfläche nur Bagger zu sehen, heute steht dort ein zweistöckiges Gebäude.
Ohne Frage gäbe es wohl wenige Länder, die ein solches Vorhaben in solch einer Rasanz umsetzen können wie China. In diesem Fall zeigt sich der Vorteil eines zentralistisch organisierten, hierarchisch geführten politischen Systems: Aus allen Landesteilen konnten die Behörden die besten Ingenieure mobilisieren, Sicherheitsbestimmungen vorübergehend außer Kraft setzen oder beschleunigen und auch finanzielle Mittel ohne demokratische Abstimmungen lockermachen.
China hat Erfahrung mit Klinik-Schnellbauten
Neben dem Huoshenshan-Krankenhaus wird am Donnerstag ebenfalls in Wuhan noch ein zweites, mit insgesamt 1.600 Betten sogar noch größeres Krankenhaus eröffnet. Die Projekte sind angelehnt an ein trauriges Kapitel der jüngeren Geschichte Chinas: 2003 haben 4.000 Bauarbeiter in Peking rund um die Uhr daran gearbeitet, um eine Klinik zur Sars-Bekämpfung aus dem Boden zu stampfen. Damals gingen die Bauarbeiten mit sieben Tagen sogar noch schneller voran.
Sowohl die Spitäler in Wuhan als auch in Peking sind aus vorgefertigten Bauteilen zusammengesetzt. Das Quarantäne-Krankenhaus in Peking hat schlussendlich ein Siebtel aller Sars-Patienten behandelt und wurde von den Staatsmedien als „medizinisches Wunder“ angepriesen. Nachhaltig war die Einrichtung jedoch nicht: Nach Ende der Sars-Epidemie wurde das Gebäude still und heimlich geschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr