piwik no script img

Coronaschnelltests in Berlin„Die Kapazität reicht noch nicht“

Berlin braucht eine ganz andere Coronateststrategie, sagt der Vorsitzende des Gesundheitsaussschusses im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers (Linke).

Schnelltests werden bald kostenlos sein – aber reicht das? Foto: dpa
Interview von Claudius Prößer

taz: Herr Albers, ab Montag soll jede und jeder mindestens einen Coronaschnelltest pro Woche machen können. Sie sagen, das wird unter den aktuellen Bedingungen nicht funktionieren. Und Sie machen den Bund dafür verantwortlich. Warum?

Wolfgang Albers: Der Bund wirft die Idee auf den Markt, macht sich einen schlanken Fuß, und andere haben zu sehen, wie sie das nun so schnell umsetzen. Diese Vorgehensweise war ja schon mehrfach zu beobachten, was selbst unseren geduldigen Regierenden Bürgermeister verleitet hat, kritische Worte über Herrn Spahn zu sagen. Dass man mit Tests zurück zur Normalität kommt, ist ja eine Strategie, die wir seit Langem fordern. Schnelltests können hervorragende Torwächter und Türöffner für sensible Infrastrukturen sein. Das setzt aber unter anderem voraus, dass sie in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und dass sie im Vier-Augen-Prinzip durchgeführt werden.

Zum Verständnis: Es geht jetzt nicht um die sogenannten Selbsttests.

Nein. Der Selbsttest, den ich alleine durchführe, ist auch ein wichtiges Instrument, aber für andere Gelegenheiten. Wenn Sie am Wochenende die Oma besuchen und sich vorher negativ testen, können Sie problemlos hinfahren. Oder Sie spüren leichte grippale Symptome, können mit dem Test aber ausschließen, dass es eine Infektion mit dem Coronavirus ist. Dann sind sie diesen Verdacht los und müssen zum Ausschluss nicht zum Arzt rennen. Wenn ich aber ins Pflegeheim will oder ins Theater, nutzt ein Selbsttest wenig. Sie können ja auch bei einer Alkoholkontrolle im Verkehr nicht sagen: Kein Problem, hab mich schon zuhause getestet!

Bild: Ben Gross Photography
Im Interview: Wolfgang Albers

Wolfgang Albers

(70) ist Chirurg und sitzt seit 2006 für die Linke im Abgeordnetenhaus. Seit 2012 leitet er den Gesundheitsausschuss des Parlaments.

Für den Zugang zu Pflegeheimen ist ein Schnelltest ja schon verbindlich.

Ja, endlich, das haben wir im Land durchgesetzt. Die Maßgabe des Bundes war nur, dass Menschen mit Zugang zu Heimen mehrmals pro Woche getestet werden sollten – da haben wir gesagt: Das reicht nicht, es kommt keiner rein, der nicht negativ getestet ist.

Was nun die Anzahl und Kapazität der Teststellen angeht, meint Gesundheitssenatorin Kalayci, es gebe genug in Berlin. Das sehen Sie anders.

Ich habe heute noch mal auf der Website der Gesundheitsverwaltung nachgeguckt: Da sind die 9 Testzentren aufgeführt, die es schon eine Weile gibt, darunter einige Krankenhäuser oder das Drive-in-Testzentrum in Reinickendorf. Wenn ich die Aussage des Regierenden Bürgermeisters anlege, dass da jeweils bis zu 1.000 Test am Tag möglich sind, und wenn ich auch noch die 8 mobilen Testeinsatzteams draufschlage, die in der Vergangenheit meist vor Schulen eingesetzt wurden, komme ich auf 17.000 Tests am Tag. Für ganz Berlin! Wenn diese Tests wirklich dazu dienen sollen, dass Menschen wieder mehr Aktivitäten nachgehen können, im Vereinssport oder anderswo, dann wird die Nachfrage auch massiv steigen. Sprich: Die Infrastruktur reicht für dieses Konzept noch nicht aus.

Es ist auch davon die Rede, dass Apotheken die Tests durchführen könnten.

Dieser Vorschlag ist völlig unsinnig. Nach allem, was ich gehört habe, wollen die Apotheken das nicht, und sie können das mit ihren personellen und räumlichen Kapazitäten auch gar nicht leisten. Die müssen ja weiterhin ihrem üblichen Geschäft nachgehen. Im Übrigen wollen wir doch die Mobilität nicht noch zusätzlich erhöhen, also die Menschen nicht auf dem Weg zu einer begrenzten Zahl von Teststellen durch die ganze Stadt jagen, wo sie sich womöglich in der Warteschlange anstecken. Deshalb ist mein Vorschlag, die Tests dort zu stationieren, wo sie gebraucht werden.

Was heißt das: Ich werde am Eingang zum Frisör oder zum Kino getestet?

Ich stelle mir das eigentlich ganz einfach vor: Die Testbox wird beispielsweise bei einem Theater im Eingangsbereich platziert. Da überreicht Ihnen ein Theatermitarbeiter einen Test, Sie führen den durch, hinterlegen ihn und kommen in zehn Minuten wieder. Dann sagt man Ihnen idealerweise: Sie sind nicht infektiös, sie können rein.

Klingt ziemlich einfach.

Ist auch einfach. Das einzige Problem, das sich ergäbe: Wie vermeiden wir, dass jemand, der an einem Tag mehrere Orte aufsuchen will, nicht jedesmal einen neuen Test machen muss? Dazu braucht man dann ein möglichst fälschungssicheres Zertifikat. Man kann aber auch eine App entwickeln, mit der Sie das Testergebnis einscannen später wie eine Eintrittskarte vorzeigen können. Hätte ich Ahnung, wie das geht, ich hätte so eine App längst entwickelt und mir damit eine goldene Nase verdient.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!