piwik no script img

Coronamythen und Fakten (4)„Die Toten starben nicht an Corona“

Ist die Sars-CoV-2-Infektion oft gar nicht die Todesursache? Das wird häufig behauptet – dabei sind die Fakten ziemlich klar.

Ob die Toten an oder mit Corona sterben, ist für den Leichenbestatter in Spanien nicht wichtig Foto: Bernat Armangue/dpa

Ohne diese Behauptung kommt vermutlich keine Unterhaltung mit Menschen aus, die die Coronagefahr bestreiten oder relativieren: Ein Großteil derjenigen, die als Coronatote bezeichnet werden, sei gar nicht „an“, sondern „mit“ Corona gestorben – sei also positiv auf das Sars-CoV-2-Virus getestet worden, ohne dass dies irgendetwas mit deren Ableben zu tun habe.

Wie bei vielen Behauptungen aus der „Querdenker“-Szene gibt es auch hier einen wahren Kern: Tatsächlich werden vom Robert-Koch-Institut (RKI) alle Menschen als Coronatote gezählt, die positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden und „in Bezug auf diese Infektion verstorben sind“, wie es auf der RKI-Webseite heißt. Die Formulierung, dass der Tod „in Bezug auf“ die durch das Virus verursachte Erkrankung Covid-19 geschehen sein muss, findet sich auch im Infektionsschutzgesetz. Dass die Infektion unmittelbar verantwortlich für den Tod ist, wird dabei nicht vorausgesetzt – denn das ist ohne Obduktion in vielen Fällen gar nicht eindeutig zu sagen, und obduziert werden Coronatote nur selten.

Wenn allerdings Obduktionen durchgeführt werden, sind die Ergebnisse ziemlich klar: Eine Untersuchung von drei großen deutschen Pathologenverbänden, für die 154 Coronatote obduziert wurden, stellte fest, dass die Virusinfektion in 82 Prozent der Fälle die alleinige oder wesentliche Todesursache war. Am häufigsten führten dabei Schädigungen der Lungenbläschen zum Tod.

Auch die zu Beginn der Epidemie etwa vom Pathologen Klaus Püschel aufgestellte Behauptung, dass die meisten Coronatoten aufgrund ihrer Vorerkrankungen ohnehin nur noch wenige Monate zu leben gehabt hätten, gilt mittlerweile als widerlegt: Die deutschen Pa­thologenverbände schätzen die verlorene Lebenszeit der Verstorbenen auf durchschnittlich 10 Jahre; schottische Wissenschaftler sind auf 11 bis 13 Jahre gekommen, einen ähnlichen Wert wurde für die USA berechnet. Diese Studien sind allerdings noch nicht peer-reviewed, also von anderen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen überprüft worden.

Coronamythen und Fakten

Es ist eine absurde Situation: Die Corona-Infektionen und -Todesfälle in Deutschland steigen auf immer neue Höchststände. Doch ob bei Demonstrationen oder im Internet: Weiterhin werden wissenschaftliche Fakten angezweifelt oder komplett bestritten.

Die taz hat sich darum die wichtigsten Behauptungen der Corona-Skeptiker und -Leugner noch einmal vorgenommen und erklärt in diesem Dossier knapp und verständlich, warum diese nicht überzeugend sind. Wir wollen damit allen, die selbst Zweifel haben, Fakten präsentieren, die helfen, diese zu zerstreuen.

Alle Texte gesammelt finden Sie unter taz.de/coronamythen.

Das Dossier kann man sich

.

Am Freitag, 18. Dezember, werden wir Ihnen ab 19 Uhr zudem in einem Video-Talk Fragen zum Thema beantworten.

Sie finden unsere Arbeit unterstützenswert? Dann klicken Sie doch bitte auf taz.de/zahl-ich

Immer wieder wird behauptet, dass auch Unfallopfer oder Menschen, die Suizid begehen, als Coronatote gezählt werden, wenn sie zuvor positiv auf Corona getestet wurden. Ob das stimmt, darüber gibt es widersprüchliche Angaben. Gemäß den oben genannten Kriterien ist es eigentlich nicht vorgesehen; zumindest zu Beginn der Pandemie wurde es aber von manchen Gesundheitsämtern so gehandhabt.

Doch selbst wenn alle infizierten Unfallopfer als Corona-Opfer gezählt würden, fiele das anteilsmäßig nicht ins Gewicht, wie eine einfache Rechnung zeigt: Wären von den knapp 3.000 deutschen Verkehrstoten in diesem Jahr 1 Prozent zufällig corona-positiv gewesen (was unrealistisch viel wäre), würden diese nur rund 0,1 Prozent aller bisher gemeldeten Coronatoten ausmachen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Bei den Risikogruppen sollte man besser von Menschen mit geschwächtem Immunsystem sprechen. Das verstellt nämlich nicht so den Blick auf die Eingriffsmöglichkeiten. Risikogruppe bleibt Risikogruppe, aber ein geschwächtes Immunsystem kann man stärken. Warum sterben Heimbewohner . die das Haus nicht verlassen häufiger, als gleichalte Rentner, die z.B. noch im Garten schaffen, und regelmäßig mit den Enkeln spielen?

    • @Martin_25:

      Weil Heimbewohner ein Heim bewohnen weil sie nicht mehr in der Lage sind ihr Leben ohne massive Assistenz zu bewältigen, geschweige denn im Garten zu schaffen. Kann man ein geschwächtes Denksystem auch starken?

  • Bitte liebe taz, nehmt euch des Themas häufiger ganzheitlich an. Ganz gleich, wie man zu den einzelnen Aspekten steht, bringt es doch wenig sie einzeln zu diskutieren. Am Ende geht es um die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen und da ist die Gefährdung ein Teil der Abwägung. Zusätzlich ist eine Überschrift die von Mythen spricht, schwierig zu vermitteln wenn im Artikel berichtet wird, dass der Glaube an den Mythos zumindest zu 20% korrekt scheint. Wirft man das in den Topf mit Dunkelziffern, etc. ergibt ihr Text eher eine Handreichung das Gegenteil ihres Textes zu glauben.



    Nehmen sie sich des Großen und Ganzen an.



    Z.b. den Fragen, welche Maßnahmen man hätte ergreifen können oder man noch immer angehen könnte.



    1. Reform des Gesundheitswesens: Wieso wurde am Pflegepersonal gespart? Ärzte in Krankenhäusern leisten Überstunden aufgrund doppelter Abhängigkeiten (Facharztausbildung, Arbeitsvertrag). Wo bleiben diese Aspekte? Warum ist nicht an Betten aufgerüstet worden? Kam die 2. Welle doch überraschend?

    2. Warum wurden Schulen nicht modernisiert? Kleinere Klassen, digitale Ausstattung für Schüler, IT Kräfte an die Schulen statt erlassene stunden für überforderte Lehrer.



    In Universitäten verlieren Heerscharen von Studenten Jahre, weil Verfügungen ohne Sachverstand den Laborbetrieb (trotz 8 Fach Luftwechsel) und Büroarbeit z. T. gleich behandeln. Zugleich scheinen Unternehmen unterreguliert.



    3. Warum haben wir keinen generellen Ethikrat? Der kann auch aktuell nicht paritätisch besetzt sein und mehr als einen Virologen beinhalten.



    4. Wo gehen die Gewinne hin aus der Massenimpfung hin? Wie wurde sie finanziert?



    5. Wieso werden Hilfszahlungen an Big Player (BMW etc.) Geleistet, wenn noch Dividenden gezahlt werden?



    6. Wer zahlt die Zeche? Werden künftig zur Deckung der Krise Vermögende an den Kosten des Staates beteiligt?



    7. Warum keine Homeoffice Verpflichtung zur jetzigen Zeit? ÖPNV entlasten wäre Mal ein interessanter Versuch.

    • @Block-O:

      Das Große und Ganze ist eben schwierig wenn in vielen Einzelheiten Falschinformationen von denen, die sich für Querdenker halten, gestreut werden.

      "Zu 20% richtig" stimmt ja eben nicht. Nur weil etwas nicht die akute Hauptursache ist, heißt es ja nicht, dass es keine Rolle gespielt hat. Es war eben ein Faktor. Des Weiteren ist die Aussage derer, die sich für Querdenker halten, halten, dass die Menschen zum größten Teil nicht an Covid-19 sterben. Das ist eindeutig falsch. Selbst wenn man die 20% nicht mitzählt (was falsch ist, denn "es stirbt auch niemand AN Aids") ändert das nichts an den viel zu hohen Todeszahlen. 1.) und 2.) sind Probleme, wobei ja wohl nicht die Anzahl Intensivbetten, sondern ausgebildete Pflegekräfte das Problem ist, und das ist nicht so schnell zu lösen. 2. erscheint mir kein neues Problem zu sein, aber das es keinen vernünftigen Online-Unterricht gibt ist ein Problem. wäre zumindest für höhere Klassen schon länger sinnvoll gewesen. 3.: Gibt es doch? de.wikipedia.org/w...Deutscher_Ethikrat 4.) Vermutlich an die Firmen, die die Impfstoffe entwickelt haben bzw. herstellen. 5.) Wegen guter Lobby. Hat ja aber nur begrenzt was mit den Maßnahmen zu tun. 6.) Das können wir mit der nächsten Bundestagswahl beeinflussen. 7.) Das frage ich mich auch schon lange (seit März im HomeOffice, funktioniert allerdings auch nur richtig gut, wenn man ein Arbeitszimmer hat).

    • @Block-O:

      Dem kann ich nur zustimmen. Herr Kreutzfeld leistet mit diesem Artikel der Absicht der "Mythenbildung" entgegen zu treten eine Bärendienst. Es ist auch klar, das in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutlich überhöhte Infektionswerte auftreten. In Deutschland ist es ja auch nicht gelungen MRSA in den Griff zu bekommen. Dies liegt meines Erachtens daran, das Krankenhäuser etc. in punkto Gebäudetechnik und Personal sehr schlecht aufgestellt sind. Es müssen ja zunächst Aktionäre und Kirchen glücklich gemacht werden und der Staat muß eh sparen um sich die Auslandseinsätze der Bundeswehr leisten zu können.



      Als gesellschaft sollte man sich langsam fragen, welche Arbeit sinnvoll ist. Solange direkt schädliche Tätigkeiten wie Daytrading fürstlich entlohnt werden und gleichzeitig Konzerne wie Amazon und Google sich vor Umsatzsteuern drücken habe ich da wenig Hoffnung. Aber Frau Merkel wendet sich gegen eine Besteuerung größter Vermögen ....



      Hoffe das war jetzt genug scope.

  • Ein Faktencheck, der mit "peer reviewed Studien und "widersprüchlichen Angaben" zu Suizid und Verkehrstoten argumentiert? Vielleicht wäre der Vergleich des Durchschnittsalters der Corona-Verstorbenen (82 Jahre) mit dem Durchschittsalter der Deutschen nach den Angaben des stat. Bundesamt eine eigene Berechnung wert. Wo sollen denn da die verlorenen 10 Jahre herkommen?

    • @noncarnnever:

      Ich nehme an, Sie meinen den Altersmedian der Verstorbenen für Covid vs. jenen in regulären Jahren. Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, wie viel früher Menschen mit Covid versterben. Das geht grundsätzlich nicht. Als Denkanstoß kann man die Altersstruktur der Verstorbenen betrachten, welche bei Covid stark verzerrt ist: Es sterben an Covid anteilig viel weniger junge und deutlich mehr ältere Menschen als das normalerweise der Fall ist.

  • @ Malte Kreuzfeldt



    Ich grüße Sie. Ehrlich gesagt bin ich ein wenig verwirrt durch Ihren Bericht , denn wenn dieser korrekt ist, warum wird dann so häufig von sogenannten Risikogruppen geredet, wenn doch das Alter und die Vorerkrankungen nicht wesentlich für die Todesursache sind.



    LG



    Quelle:



    RKI (www.rki.de/DE/Cont...isikogruppen.HTML)



    Bundesregierung (www.bundesregierun...gledown-content-1)

    • @Miwa:

      Weil die Wahrscheinlichkeit, in hohem Alter oder mit Vorerkrankungen an COVID zu sterben höher ist als ohne. Die Todesursache ist trotzdem COVID und nicht die Vorerkrankungen oder das Alter.

      • @Flo:

        „Doch Komorbiditäten spielten laut den Experten eine eher untergeordnete Rolle…...Aufgrund dieser spezifischen Befunde (s. Kasten) konnte die Erkrankung bei 82% der Obduzierten als wesentliche bzw. alleinige Todesursache festgestellt werden. „

        (www.medical-tribun...ren-todesursache/)

        Dieser Quelle ist in dem oben genannten Artikel verlinkt.

        Wenn man also Vorerkrankungen „eher“ vernachlässigen kann und man annehmen darf, das ältere Menschen „eher“ vom Tod betroffen sind als junge Menschen, warum gibt es dann überhaupt eine Definition von Risikogruppen ?

        • @Miwa:

          Beispiel, auch ohne Vorerkrankung haben Sie zunehmendem Alter immer schlechtere Karten bei Thrombose oder Embolie, auch wenn Sie ohne beides steinalt werden könnten. Weiterer Faktor ist das aktive lungenvolumen und so geht es weiter mit Dingen, die im Alter nicht besser werden, einen aber normalerweise auch in 20 Jahren nicht töten.