Coronakrise und der schottische Fußball: Gehirnwäsche neben dem Platz

Wie der unterklassige schottische Fußball mit der Corona-Krise ringt – am Beispiel des Peterhead FC.

Zerfledderte schottische Flagge, Symbolbild.

Leicht zerfleddert: Schottische Flagge und schottischer Fußball Foto: ap/David Cheskin

Um den schottischen Drittligisten Peterhead FC ist es derzeit recht laut. Sein Boss Rodger Morrison führt sich auf wie eine Mischung aus veganem Fernsehkoch und US-Präsident: „Brainwashed“ sei das Land, eine „Diktatur“ herrsche in Schottland, und zu allem, was er derzeit zum Thema Corona und die den Sport betreffenden Einschränkungen höre, brauche er dringend „alternative“ Experteneinschätzungen.

Die durchgeknallten Sätze passen, so scheint es, überhaupt nicht in die Debatte, die gerade in Schottland geführt wird. Vom schottischen Labour-Chef Richard Leonard war eine Onlinekonferenz der notleidenden Clubs organisiert worden – schließlich ruhen die unteren Ligen in Schottland noch. 24 Klubvertreter hatten dort über ihre Sorgen gesprochen, nicht wenige haben Angst, unterzu­gehen, auch Peterhead.

Im Anschluss hat Douglas Ross, der Chef der schottischen Konservativen, ein Programm namens „Fans Fighting Fund“ gefordert. Gerade solche Clubs, deren Fans für den Weitererhalt des Vereinslebens kämpfen, sollen staatliche Unterstützung erhalten. Voraussetzung sei, dass sie ihren Mitarbeitern existenzsichernde Löhne zahlen.

„Das Geld der britischen Regierung ist da“, sagt Ross. Gerade einmal 10 von 100 Millionen seien bislang ausgegeben, „und wir alle wissen in Schottland, dass Fußball unsere Kultur ist, noch mehr als Comedy-Clubs oder Theater“. Ob es nicht vielleicht doch einen Hauch von Populismus beinhaltet, Fußball in Konkurrenz zu Comedyclubs zu bringen, mag dahingestellt sein.

Wann ist das Spiel gekippt?

Falsch ist der Satz nicht. „Viele dieser Vereine sind nicht nur historisch das Lebenselixier des schottischen Fußballs, wenn es darum geht, einige der größten Spieler der Nation hervorzubringen“, unterstützt Labour-Chef Leonard den Vorschlag, „sondern sie sind auch ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Gefüges.“

Man weiß also in Schottland, was der Fußball bedeutet. Schaut man sich die vergangenen Monate an, hätte auch Rodger Morrison vom Peterhead FC in dieser Reihe gestanden. Noch im März hatte Hotelbesitzer Morrison Zimmer kostenlos für Krankenhausangestellte zur Verfügung gestellt, damit die nach einer Doppelschicht schneller die verdiente Ruhe finden.

Und Ende Mai noch hatte er den Fußballverband angegriffen: Das Aussetzen des Spielbetriebs habe verheerende Auswirkungen auf schottische Städte, sein Peterhead FC unterhalte etwa ein Café für Alzheimer-Patienten, das gefährdet sei.

Das ist das Verwirrende am schottischen Fußball: Die völlig richtige Beschreibung der sozialen und kulturellen Funktion des Fußballs, gepaart mit einer durchaus sympathischen Form der Hilfsbereitschaft, droht ab einem bestimmten Zeitpunkt in Vergessenheit zu geraten.

Irgendwann hat der Peterhead-Chef gesagt: „Leider gibt es derzeit keine parlamentarische Demokratie. Es ist fast wie eine Diktatur sowohl der britischen als auch der schottischen Regierung.“ Und weiter: „Ich fürchte, wir werden einer Gehirnwäsche unterzogen.“

Es ist vielleicht die ewig schwierige Frage nach einer fußballerischen Niederlage: Wann ist das Spiel gekippt? Der Fußball ist mittendrin in diesen schwierigen Auseinandersetzungen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.