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Coronakrise in BerlinDemo ohne Leugner*innen

Rund 500 Menschen demonstrierten für ein besseres Morgen und gegen Verschwörungsmythen. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen den Kapitalismus.

Coronakrise ist Kapitalismuskrise: Demo für ein „besseres Morgen“ in Berlin Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Vom befürchteten Demo-Chaos zum Jahresende ist nicht viel übrig geblieben. Entgegen großspuriger Ankündigungen zeigten die Corona-Leugner*innen am Mittwoch kaum Präsenz auf den Straßen. Die größte Demo des Tages blieb eine linke Demo unter dem Motto „FCK 2020 – Für ein besseres Morgen“, die mit mehr als 500 Teilnehmener*innen vom Wedding nach Mitte zog.

„Der Kapitalismus hat keine Antwort auf die Krise, er verschärft sie nur“, kritisiert ein Sprecher auf der Auftaktkundgebung am Nettelbeckplatz das Krisenmanagement der Bundesregierung. Die Organisator*innen, zu denen mehrere Antifa-Gruppen gehören, wollen mit der Demo eine linke Kritik an den Coronamaßnahmen abseits von Verschwörungsmythen formulieren.

Kurz vor dem Start der Demo sind knapp hundert Leute auf dem Platz versammelt, fast alle tragen Masken und halten Abstand. Auf dem Kopfsteinpflaster sind Kreuze aufgemalt, damit die Teilnehmer*innen den Abstand einhalten.

„Warum gibt es keine Bonuszahlungen für die Pflege, während Großkonzernen Geld in den Hintern geblasen wird?“, drückt eine Teilnehmerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ihr Unverständnis aus. Das Schild einer anderen Teilnehmerin wird noch deutlicher: „Dax oben, Oma tot.“

Den Rechten nicht die Straße überlassen

Gleichzeitig wollen die Demonstrant*innen der immer stärker ins Rechtsextreme abdriftenden Leugner*innen-Szene nicht die Straße überlassen, diese hatten für Mittwoch zahlreiche Demos und Kundgebungen in Berlin angekündigt.

Provozieren geht auch mit türkis­far­benem Arztkittel und aufblasbarer Spritze

Der 33-jährige Tom K. ist dazu extra aus Leverkusen in einem Wohnmobil angereist, um sich an den Gegenprotesten zu beteiligen. Er trägt einen türkisfarbenen Arztkittel und eine aufblasbare Spritze, eigentlich um Coronaleugner*innen zu provozieren. „Aber es wäre auch schön, wenn sich gar keine Querdenker blicken lassen.“

Die hatten nämlich in einschlägigen Telegram-Gruppen dazu aufgerufen, sich nach Absage ihrer Demos an der linken Demo zu beteiligen. Die Organisator*innen machten aber klar, das Corona­leugner*innen nicht erwünscht seien. Auf der Kundgebung wurden Flugblätter mit bekannten Personen auf der Szene verteilt.

Gegen 14.30 Uhr setzt sich die Demo in Bewegung. Der Zug ist inzwischen auf geschätzt 500 Menschen angewachsen, die Polizei spricht von 300 Teilnehmer*innen. Die Stimmung ist friedlich – entgegen der Warnung des Innensenators Andreas Geisels (SPD), es könne zu Gewalt kommen. Auch die Polizei ist nicht übermäßig präsent. Nur vereinzelt wird Pyrotechnik gezündet, als der Zug die BND-Zentrale in der Chausseestraße passiert.

Kurz nach 16 Uhr erreicht die Demo ihren Endpunkt am Rosa-Luxemburg-Platz. Dort hatte es zuvor weitere Kundgebungen vom Berliner Bündnis gegen Rechts mit einem Dutzend Teilnehmer*innen gegen die Querdenker-Bewegung gegeben. Auch startete dort, in Anspielung auf besonders absurde Verschwörungsmythen, der „Reptiloide Fahrradkorso“ der Bergpartei.

Querdenken ruft zu „Pilgerwanderung“ auf

Ganz ohne Corona­leug­ner*in­nen auf Berlins Straßen wird der Mittwoch nicht zu Ende gehen. Zum Abend rief Monica Felgendreher, Organisatorin von Querdenken Berlin, zu einer „Pilgerwanderung“ am Brandenburger Tor auf. Die Versammlung wurde als „religiöse“ Veranstaltung angemeldet und genehmigt.

Ursprünglich plante das Querdenken-Bündnis eine Demo zu Silvester unter dem Motto “Willkommen 2021 – das Jahr der Freiheit und des Friedens mit 22.500 Teilnehmer*innen auf der Straße des 17. Juni. Durch das allgemeine Versammlungsverbot am 31. Dezember wurde der Aufzug um einen Tag vorverlegt.

Begründet durch das Infektionsschutzgesetz erteilte die Versammlungsbehörde auch der Ersatzveranstaltung eine Absage. Ballweg rief daraufhin in einer Videobotschaft seine Anhänger*innen dazu auf, das Verbot zu akzeptieren und kündigte an, in den nächsten Monaten keine Demonstrationen anmelden zu wollen.

Keine Demos am 31. Dezember

Auch das „Feuerwerk der Gefühle. Vom Jahr der Rebellion zum Jahr der Freiheit“, eine weitere Demonstration der Corona-Leugner*innen mit rund 10.000 angemeldeten Teilnehmer*innen, wurde am Montag nach Angaben der Polizei vom Veranstalter abgesagt. Der Aufzug sollte ursprünglich vom Hauptbahnhof zum Robert-Koch Institut führen.

Währenddessen richteten sich auch Linke Gruppen auf das Versammlungsverbot am 31. Dezember ein. Die jährliche „Anti-Knast-Kundgebung“ vor der JVA-Lichtenberg, die zum Jahresende in Solidarität mit Menschen, die Silvester im Gefängnis verbringen müssen abgehalten wird, wurde auf Mittwochabend vorverlegt. Sie findet um 18.00 statt.

Das linke Bündnis „Wer hat der gibt“ wollte ebenfalls am 31. Dezember unter dem Motto „Back to the future – für ein besseres 2021“ demonstrieren. Mit dem allgemeinen Versammlungsverbot und der Absage der Demos verschob das Bündnis die Demo aufs Frühjahr.

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