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Corona und Kunst im IranDer Pandemie trotzen

Die Kulturszene im schiitischen Gottesstaat Iran ist stark von der Pandemie betroffen. Eine Bestandsaufnahme aus Teheran und Isfahan.

Surreale Stadtszenerie in Nooshin Shafiees titelloser digitaler Fotografie Foto: Emkan Gallery

Das Virus ist in den Iran gekommen, um erst einmal zu bleiben. So sehen es viele Be­trei­be­r*in­nen von Galerien und Non-Profit-Organisationen, Redakteure von Kunstzeitschriften oder Künstler*innen in Teheran und Isfahan. Sie investieren ihre Energie derzeit vor allem darein, Wege zu finden, wie sie angesichts der aktuellen Rekorde bei Neuinfektionen mit Covid-19 im Iran überhaupt weiterarbeiten können. Und wollen.

„Theater, Kinos, Museen und Galerien waren unter den ersten Einrichtungen des öffentlichen Lebens im Iran, die im Februar schließen mussten“, so beschreibt Amirali Ghasemi von der New Media Society in Teheran den Beginn der Pandemie im Iran. „Während Moscheen und Heilige Schreine erst nach landesweiten Protesten und Hunderten von Toten später geschlossen wurden.“

Die kleine Non-Profit-Organisation New Media Society sammelt und verwaltet ein wachsendes Archiv zu Neuen Medien in der zeitgenössischen Kunst des Iran. Sie musste ihre Aktivitäten weitgehend einstellen, die normalerweise von Ausstellungen über Screenings und Künstler*innen-Gespräche bis zur Ausrichtung von Workshops und Seminaren im Iran und international reichen. Aufgrund der nunmehr noch prekäreren finanziellen Situation rechnet Ghasemi nicht damit, in absehbarer Zeit den kleinen Projektraum in Teheran wieder öffnen zu können.

„Alle drängen jetzt darauf, online zu gehen“, sagt Samira Hashemi. Sie ist eine Künstlerin und Kuratorin, die zusammen mit der Künstlerin Mona Aghababaei 2014 die Non-Profit-Initiative Va Space in Isfahan gegründet hat.

„Digital ist weniger gefährlich für die Regierung“

Seinen einzigen sichtbaren Ort hatte Va Space bisher durch seine Webseite. Die ist zurzeit offline. Ihre Projekte wie Künst­le­r*in­nen-Residencies und Ausstellungen, Vorlesungen und Workshops organisierten sie jedoch zumeist in Kooperation mit Galerien und anderen Kunstorten in Isfahan und Teheran im analogen Raum.

„‚Digital‘ bedeutet für die Regierung auch weniger ‚gefährlich‘ als zum Beispiel Aktionen im öffentlichen Raum. In Isfahan haben wir kaum städtische Räume, die für (Kunst-)Aktionen genutzt werden können, was dem Staat zupasskommt“, kritisiert Hashemi.

Eines der größten Corona-bedingten Probleme, das durch die Digitalisierung der Kunstszene noch verschärft wird, sieht sie in der Distanzierung von den lokalen Communitys, die für die Kunstszenen im Iran zentral sind. So bezeichnet sie als eine der größten Errungenschaften von Va Space das Netzwerk für die zeitgenössische Kunst, das sie durch ihre Aktivitäten in Isfahan aufgebaut haben. Ob und wie Hashemi und Aghababaei weitermachen können, ist gerade völlig offen.

Angesichts fehlender institutioneller Alternativen sind es neben den wenigen Non-Profit Organisationen vor allem die Galerien, die den Kunstbetrieb im Iran tragen. Die Reaktionen dieser privat betriebenen, kleinen Orte des öffentlichen Lebens auf den Lockdown fallen je nach finanzieller Ausstattung sehr unterschiedlich aus.

Durch die Pandemie nicht zu bremsen ist etwa Hormoz Hematian, Gründer der Teheraner Dastan Gallery mit zwei Orten im schicken Elahieh im Norden der Metropole. „Wir haben den Lockdown dazu genutzt, ins Digitale zu investieren“, bestätigt Hematian. Nicht überdrüssig der Online-Ausstellungen in 3-D und digitalen Teilnahmen an der Frieze New York, Art Dubai und anderen virtuellen Ausstellungsprojekten, arbeitet die Galerie gerade an einem ganzen digitalen Museum.

Kapitalspritzen passé

Neben dem digitalen Ausbau sollen auch die Räumlichkeiten in Teheran erweitert werden. Die 2012 gegründete Dastan Gallery ist eine der wenigen aus dem Iran, die sich in den letzten Jahren international gut vernetzen konnte. Sie nimmt auch an den großen internationalen Kunstmessen teil. Wie der junge Unternehmer Hematian das alles angesichts der desaströsen wirtschaftlichen Lage und anhaltender Hyperinflation im Iran stemmt, fragt sich so mancher in der lokalen Szene. Er meint jedoch: „Seit einigen Jahren benötigt die Galerie keine Kapitalspritzen mehr.“

Weniger enthusiastisch beschreibt Orkideh Daroodi die Lage. Ihre O Gallery, ebenfalls eine der aktivsten in Teheran, mit einer tendenziell jungen Liste von Künstler*innen, befindet sich in dem angesagten Viertel südlich der Motahari Street. „Als eine der wenigen Galerien in Teheran, die ihre Räume mietet, haben wir so schnell wie möglich wieder geöffnet“, sagt Daroodi. Für sie war der Ausbau der Online-­Aktivitäten eher aus der Not geboren. Sie probiert Verschiedenes aus, um ihre Künstler*innen zu unterstützen, so etwa die Möglichkeit für Sammler*innen, bisher nicht ausgestellte Einzelwerke direkt aus dem Atelier zu erwerben. Mit der Pandemie kam für sie auch der Einstieg in den Kunsthandel auf dem Sekundärmarkt, der höhere Profite verspricht.

Obwohl es aufgrund des ungemein vorteilhaften Wechselkurses attraktiv ist, aus dem Ausland Kunst im Iran zu erwerben, konnte Behzad Nejadghanbar von der Emkan Gallery in letzter Zeit, wenn überhaupt, nur an seine angestammten, lokalen Sammler*innen verkaufen. Der Lockdown traf die kleine Galerie in Teheran Downtown, die einige der interessantesten Künstler*innen im Iran vertritt, hart. Auch die schlechte wirtschaftliche Lage einiger seiner jüngeren Künstler*innen beschäftigt Nejadghanbar.

Dass es schon vor Covid-19 alles andere als einfach war, im Iran langfristig eine Galerie zu betreiben, bestätigt Yasaman Matinfar, ehemalige Managerin der seit Januar dieses Jahres geschlossenen Ab/Anbar Gallery in Teheran. Sie legte ihren Schwerpunkt darauf, Künstler*innen der globalen iranischen Diaspora in Teheran zu zeigen.

Das abgeschossene Flugzeug und die Folgen

„Nach dem Abschuss des Flugs 752 der Ukraine International Airlines im Januar war die Situation für uns nicht mehr haltbar. Es war ein Schock. Aber es war auch finanziell schwierig geworden, Kunsttransporte nach und von Iran sowie internationale Finanztransaktionen waren kaum mehr möglich“, berichtet Matinfar.

Obwohl Maryam Hosseini von der Isfahaner Emrooz Gallery die Unterstützung vieler Menschen, die während der Zeit des Lockdowns Kunst erwarben, sehr zu schätzen weiß, macht sie sich große Sorgen. Nicht nur um ihre eigene Galerie, der es bislang nicht gelang, im traditionellen Isfahan eine lokale Käuferschaft für zeitgenössische Kunst zu etablieren. (Sie versucht sich daher überregional und international auszurichten.) Sondern vor allem um die Künstler*innen. „Viele von ihnen, ich würde sagen 70 Prozent, haben erst einmal aufgehört zu arbeiten.“

Wie die junge Fotografin Nooshin Shafiee (1990). „Ich war bisher nicht sehr erfolgreich darin“, sagt sie, „einen Weg zu finden, mit meiner Angst umzugehen.“ Neben der Angst, sich anzustecken, ist es die Angst, nicht mehr arbeiten zu können. Nicht mehr wie bisher für ihre zufällig anmutenden, zugleich jedoch sorgfältig komponierten, fragmentierten Bilder der Metropole Teheran durch die Stadt streifen zu können.

„Ich habe versucht, wie vorher zu fotografieren, aber die Leute und sogar die Straßen haben sich dramatisch verändert. Mein künstlerischer Ansatz funktioniert in der neuen Situation nicht mehr.“ Ihre Ausstellung „Batten“ in der Emkan Gallery hatte im Februar schließen müssen. Shafiees Serie „Daaj“ war bis Januar 2020 für ein Jahr im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe zu sehen.

Gesellschaft als chronisch kranker Körper

Auch Raana Farnoud (1953) malt gerade nicht. Die Sorge der zu den Etabliertesten ihrer Generation gehörenden Künstlerin, die in ihren semiabstrakten Gemälden auf subtile Weise die Themen der Gesellschaft, in der sie lebt, verarbeitet, gilt der Frage, wie ebendiese Gesellschaft eine weitere Krise überleben kann. „Meine Sorge geht bis weit vor die Pandemie zurück. Diese Gesellschaft ist wie ein chronisch kranker Körper, geschwächt durch Misswirtschaft, Korruption, Sanktionen, und nun das Virus.“

Das Gefühl, dass sich das Leben der Menschen durch das Virus einschneidender als durch andere Krisen verändert hätte, hat der Maler Iman Afsarian, zugleich Chefredakteur der vielleicht wichtigsten Kunstzeitschrift im Iran, Herfeh: Honarmand, nicht.

„Das ist der Unterschied zu den westlichen Ländern“, sagt er, „dass Corona für die Menschen im Iran nur eine weitere Krise von vielen bedeutet, die alle das Leben hier unmittelbar beeinflussen.“ Die Arbeit von Herfeh: Honarmand wurde durch die Pandemie jedoch beeinträchtigt – zum ersten Mal in 18 Jahren kann aufgrund ausbleibender Verkäufe eine Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift nicht gedruckt werden.

Allen gemeinsam ist die Ansicht, dass es nur durch mehr Solidarität zwischen den verschiedenen Akteur*innen im Kunstbereich und den Menschen im Allgemeinen im Iran weitergehen kann. Wie Hashemi es ausdrückt: „Die Gemeinschaft ist wichtig. Was können wir alle dafür tun?“

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