Corona und Arbeiten im Homeoffice: Die ganz große Mogelpackung

Alle BerlinerInnen im Homeoffice? Das geht gar nicht und kommt auf die Branche an. Denn wer backt denn weiter Brötchen und Brot? Ein Wochenkommentar.

Eine Frau im Homeoffice an ihrem Laptop – sie telefoniert, während ihr Kind neben ihr in einem Kinderstuhl am Tisch sitzt

So sieht Homeoffice dann meistens aus … Foto: picture alliance/Christian Beutler/KEYSTONE/dpa

Homeoffice. Homeoffice. Das Wort dieser Tage neben Corona. Besser: das Unwort – und eine große Mogelpackung der Politik. Eingeschränkte Verkehrsverbindungen? Kein Problem, machste Homeoffice. Kitas dicht? Kann man ja von zu Hause aus arbeiten. Unter häuslicher Quarantäne? Egal, es gibt ja Homeoffice.

Wenigstens nebenbei erwähnte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen am Dienstag mal, das gehe ja noch nicht für alle. Es geht aber eben nicht nur nicht für alle und das auch auf Dauer nicht, sondern vor allem nicht für die, die den eigentlichen Betrieb am Laufen halten.

Denn wer backt denn weiter Brötchen und Brot? Wer muss an der Supermarktkasse die ganzen Abgedrehten und Hamsterer ertragen? Wer trägt morgens weiter diese Zeitung aus, bei Wind und Wetter? Wer kümmert sich im Altenheim um die Menschen? Und wer wird als Ärztin oder Pfleger in den Kliniken mutmaßlich unvorstellbar schwere Zeiten erleben? Wer fällt noch Urteile im Gerichtssaal, damit der Rechtsstaat weiter funktioniert? Wer holt weiter jeden Morgen den Müll ab? Und wer muss auf dem Weg dahin oft zwangsläufig mit Bus oder Bahn unterwegs sein und ein zusätzliches Corona-Risiko eingehen, weil er oder sie sonst nicht zur Bäckerei, Klinik, zum Altenheim, zum BSR-Fuhrpark oder zu seiner Polizeiwache kommt?

Es wird die Frage sein …

Das geht alles nicht von zuhause im Homeoffice, aus dem gerade schon nach wenigen Tagen die ersten Berichte von Lagerkoller dringen und wie schlimm das alles sei, die Kinder zu beschäftigen. Kann ja subjektiv so sein – aber es erinnert irgendwie an eine mehrere Jahre alte Reportage aus einem Bundeswehrstützpunkt in Afghanistan: Während draußen zwei Kampfbatallione, die sogenannten Draußis, unter Beschuss lagen, soll hinter den Stützpunktmauern, bei den „Drinnis“, im Meckerbuch die Frage gestanden haben, warum es zum Frühstück nur eine Marmelade gab.

Wenn sich irgendwann mal die traurige Situation ergibt, dass nur die Hälfte der Menschheit weiterleben dürfte – weil in die Arche eben nicht alle reinpassen oder Hilfsraumschiffe von Aliens nur jeden Zweiten zu einem Ersatzplaneten evakuieren können, dann wird die Frage: „Kannst Du Homeoffice machen?“ eine ganz andere Bedeutung haben.

Das soll keine Schmähung sein – diese Zeilen entstehen ja selbst im Homeoffice

Sie wird zu einer Art Triage werden, jenem grausamen, aber unvermeidbaren Entscheidungsprozess, den Ärzte durchlaufen, wenn sie festlegen, wen sie mit ihren begrenzten Ressourcen zuerst behandeln. Es wird die Frage sein, wer fürs nackte Überleben der Gesellschaft nötig ist, für den Notbetrieb oder ersten Wiederaufbau unter widrigsten Bedingungen. Und das werden meistens nicht die sein, die ihren Job zu Hause machen können.

Das soll keine Schmähung sein – diese Zeilen entstehen ja selbst im Homeoffice. Aber diese Krise kann Respekt lehren: Respekt vor Menschen und ihrer Arbeit, die viele andere bisher bloß als natürliche und selbstverständliche Dienstleistung betrachtet haben. Eine Dienstleistung vor allem, die in vielen Fällen viel zu schlecht bezahlt wird.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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