Corona in Nerzfarmen: „Pelzbranche gefährdet Menschen“
Aktivisten verweisen auf die Infektionsgefahr durch Nerze. Damit könnte die Pelzbranche die Impfstoffentwicklung erschweren.
In Dänemark werden derzeit sämtliche 17 Millionen Nerze getötet, um das mutierte Virus einzudämmen. Allerdings haben sich bereits mindestens 12 Menschen mit der Coronavariante infiziert. Seit Montag gelten deshalb in sieben nordjütländischen Kommunen weitreichende Beschränkungen des öffentlichen Lebens: Unter anderem wurde dort der öffentliche Nahverkehr weitgehend eingestellt.
„Es ist wissenschaftlich längst belegt, dass es auf diesen Farmen, wo viele Tiere auf kleinem Raum zusammenleben, immer wieder zu Mutationen von solchen Erregern kommt“, ergänzte Peta-Aktivistin Fuoß. Marderhunde etwa stünden in Verdacht, das Sars-Virus übertragen zu haben, das 2002 bis 2004 Hunderte Menschen tötete. Marderhunde würden ebenfalls massenweise auf Pelzfarmen gehalten, sagte die Tierrechtlerin. Und zwar ähnlich wie Nerze: in engen Einzelkäfigen.
In Deutschland schloss die letzte Pelzfarm 2019. Zuvor waren die Haltungsvorschriften verschärft worden. Sie verlangen jetzt zum Beispiel eine Wasserfläche, denn in freier Wildbahn verbringen Nerze einen Großteil ihres Lebens im Wasser. Diese Regeln ließen die Nerzhaltung in Deutschland unrentabel werden. „In Dänemark dagegen werden Nerze immer noch ohne Wasserbecken gehalten“, kritisierte die Tierrechtlerin.
„Grauenhafte Praxis“
„Das ist eine grauenvolle Praxis und auch unverständlich, zumal mittlerweile Kunstpelze existieren, die auf ersten Blick kaum zu unterscheiden sind“, sagte Fuoß. „Pelze braucht keiner von uns.“
Die in Deutschland beliebten Pelzkragen an Jacken bestehen der Peta-Expertin zufolge „im Mittelklassebereich“ fast ausschließlich aus Kunstpelz. Sehr billige oder sehr teure Ware habe noch Echtpelz, dann aber meist günstigere Arten wie Marderhunde und Kaninchen oder hochpreisigere wie Füchse und Nerze. Aus Nerzfellen würden vor allem Pelzmäntel oder Jackeninnenfutter gefertigt. „Viel geht nach Russland. Dort sind Nerzmäntel ein Statussymbol. In Deutschland haben sie viel an Ansehen verloren“, sagt Fuoß.
Der Deutsche Pelzverband nannte auf taz-Anfrage keine Zahlen, räumte aber ein: „Nach Ansicht der dänischen Behörden mutierte das Virus bei den Farmnerzen in Dänemark, sodass nun möglicherweise eine Übertragbarkeit auf den Menschen gegeben ist.“ Diese Auffassung müsse jedoch erst von der internationalen Forschungsgemeinschaft bewertet werden, schrieb Sprecherin Barbara Sixt.
Viele Betriebe in Niederlanden verseucht
Auch in den Niederlanden, hinter Dänemark und China größter Standort der kommerziellen Nerzzucht, zirkuliert das Coronavirus seit dem Frühjahr auf Pelztierfarmen. Auf mehr als der Hälfte aller rund 100 Betriebe gab es bisher infizierte Tiere.
Unter Leitung der Virologin Marion Koopmans vom Rotterdamer Erasmus-Universitäts-Krankenhaus wurde der Ausbruch auf den ersten 16 Nerzfarmen des Landes detailliert untersucht. Demnach wiesen 66 Mitarbeiter und 11 streunende Katzen die gleiche Coronavariante wie Nerze auf, von denen sie übergesprungen war. Das Gesamtbild skizziert die beteiligte Epidemiologin Francisca Velkers in der Zeitung Volkskrant so: „Ein Mensch infiziert einen Nerz, der wiederum sehr viele andere Nerze infiziert – marderartige Tiere sind sehr empfänglich für das Virus. Die Nerze infizieren dann auch wieder andere Menschen und streunende Katzen im Betrieb.“
Auch in den Niederlanden wurden in den letzten Monaten riesige Nerzbestände vergast: insgesamt etwa 2,4 Millionen Tiere.
Marion Koopman, eine der profiliertesten Expertinnen in dem Bereich, ist besorgt: „Man muss das sehr genau beobachten“, sagte sie dem TV-Magazin 1 Vandaag. „Der Unterschied ist, dass wir in den Niederlanden vor allem Menschen in den Betrieben sahen, die infiziert waren. In Dänemark waren es auch Leute außerhalb der Zuchtbetriebe.“
Eigentlich sollte die Zucht 2024 abgewickelt werden. Wegen der zahlreichen Corona-Infektionen beschloss die Regierung in Den Haag im August, dass dieser Prozess schon im März 2021 abgeschlossen sein muss. Die Betriebe werden ausgekauft für jeweils gut anderthalb Millionen Euro. Branchenvereinigungen beschweren sich, dass dieser Preis zu gering sei, um die betroffenen Arbeitnehmer und ihre Familien aufzufangen. Tierschützer sehen den Betrag aus ethischen Gesichtspunkten als viel zu hoch an.
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