Corona in Flüchtlingsunterkünften: „Die Leute haben Angst“
„Durchseuchung wird in Kauf genommen“: Pro Asyl, Landesflüchtlingsräte und Seebrücke-Bewegung fordern Auflösung der Flüchtlingsunterkünfte.
Ein Beispiel dafür ist die Situation in Hennigsdorf bei Berlin. Die Großunterkunft für mehrere hundert Menschen steht seit dem 18. April unter Quarantäne. Die BewohnerInnen würden keinerlei Informationen und Hilfe bekommen – „außer von der Kirchengemeinde“, berichtete Nde Nzongou Barthelemy, ein Bewohner, auf der Video-Pressekonferenz. „Die Leute haben Angst, die Polizei ist immer da.“
In seinem Haus (es gibt insgesamt fünf Häuser in dem Heim) seien 78 Menschen positiv getestet worden, nur drei negativ. „Aber in den Mehrbettzimmern für zwei bis vier Leute waren alle immer zusammen.“ Und seit die Quarantäne für sein Haus 2 am Samstag beendet worden sei – die anderen Häuser seien weiterhin isoliert –, müssten die BewohnerInnen grüne Bändchen am Handgelenk tragen, wenn sie das Heim verlassen wollen. Als er am Wochenende mit dem Bändchen „draußen“ war, habe auf der Straße prompt eine Frau auf ihn gezeigt.
Recht auf Gesundheit
Nach Auskunft des Landkreis Oberhavel wurden beim letzten Reihentest in der Gemeinschaftsunterkunft Hennisdorf am 5. Mai bei mehr als 240 getesteten Personen 18 Neuinfektionen registriert. Daraufhin sei bei drei der fünf Häuser die Quarantäne bis zum 21. Mai verlängert worden. Positiv getestete Bewohner würden „an einem anderen Standort häuslich isoliert“. In einem Haus seien jedoch ein positiv Getesteter und seine Familie „nicht zu einem Ortswechsel bereit“, so dass für die anderen BewohnerInnen weiterhin Kontakt zu Infizierten besteht. Die Quarantäne könne in diesem Haus daher noch nicht beginnen. Für 57 Personen in Haus 2 sei die Quarantäne zum 6. Mai aufgehoben worden. Das grüne Band am Handgelenk diene dem Nachweis, dass die Bewohner von der Quarantäne befreit sind. Es gebe aber keinen Zwang, dieses zu tragen, sagte die Sprecherin des Landkreise, Ivonne Pelz, auf taz-Anfrage. (sum)
Günter Burkhardt von Pro Asyl betonte, das Recht auf Gesundheit gelte für alle Menschen: „Es gibt kein Menschenrecht 2. Klasse!“ Daher fordere seine Organisation schon seit März die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. Er verwies auf mehrere Gerichtsurteile, etwa vom Verwaltungsgericht Leipzig (Az.: 3 L 204/20.A), die klagenden Flüchtlingen zuletzt Recht gegeben haben, dass ihre Gesundheit durch die Unterbringung in Massenunterkünften gefährdet sei und sie das Recht hätten, dort auszuziehen. Die Politik müsse nun entsprechend handeln, forderte Burkhardt. „Es kann nicht sein, dass man für jeden Fall einzeln vor Gericht gehen muss.“
Dasselbe gelte auf europäischer Ebene, erklärte Tareq Alaows von der Seebrücke-Bewegung. Obwohl es inzwischen mehr als 50 Kommunen gebe, die sich zu „sicheren Häfen“ erklärt haben und bereit seien, Flüchtlinge aus Griechenland, aufzunehmen, setze die Bundesregierung weiter auf Abschreckung und stehle sich mit dem Verweis, es brauche eine „europäische Lösung“ aus der Verantwortung. Dass sie nach Monaten der Diskussion gerade mal bereit sei, 47 Kinder aufzunehmen, sei absurd – zumal 19 von ihnen Familienangehörige in Deutschland hätten und daher ohnehin das Recht, hierherzukommen.
Angesichts dieses Unwillens müssten nun die Bundesländer vorangehen, forderte Alaows. Die Länder Berlin und Thüringen, die bereits eigene Landesaufnahmeprogramme für Schutzsuchende in Griechenland vorbereitet haben, „müssen das jetzt starten und notfalls gegen den Bund klagen“, wenn er die Zustimmung zur Aufnahme weiterhin verweigert. „Wir fordern echte Solidarität und ein Europa, an dessen Grenzen Menschen nicht beschossen, zurückgeschoben oder eingesperrt werden.“
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