Corona in Burundi: Jagd auf Präsidentenkiller
Der frühere Präsident Pierre Nkurunziza wollte von Corona nichts wissen und starb. Sein Nachfolger sagt nun der Pandemie den Kampf an.
Bei der Vereidigung des neu gewählten Parlaments am 30. Juni erklärte der neue Präsident das Coronavirus zum „schlimmsten Feind Burundis“. Damit überraschte er, denn der ehemalige General und enge Vertraute des Verstorbenen gilt eigentlich als einer, der die Politik seines Vorgängers eher fortführen wird.
Nkurunziza hatte zu Lebzeiten Ndayishimiye zu seinem Nachfolger bei den Wahlen am 20. Mai gekürt. Im Kampf gegen die Coronapandemie hatte er auf Massengebete statt auf Vorkehrungsmaßnahmen wie Masken oder Abstandsgebote gesetzt. Die Burunder würden „von Gott beschützt“, hatte der Präsident gepredigt.
Zu den Wahlkampfveranstaltungen im Mai waren Abertausende Menschen ohne Schutzmasken dicht gedrängt zum Singen und Tanzen zusammengekommen. Um jede Kritik zu vermeiden, hatte Nkrurunziza auch noch die Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Land geworfen.
250 Tests täglich
Die Laxheit im Umgang mit dem Virus kostete ihn offenbar das Leben. Offiziell starb er an Herzstillstand, doch lokale Medien ließen verlauten, dieser sei im Zuge einer Covid-19-Infektion aufgetreten. Auch Nkurunzizas Frau und weitere Verwandte waren zuvor positiv auf das Virus getestet worden.
Jetzt werden die Zügel angezogen. Vergangene Woche begannen in Burundis größter Stadt Bujumbura großangelegte Massentests. „Mit dieser Kampagne arbeiten wir nun daran, jenen Zugang zu Tests zu ermöglichen, denen dies in der Vergangenheit verwehrt geblieben war“, erklärte Gesundheitsminister Thaddée Ndikumana bei der Eröffnung der ersten Teststation. „Wir denken, es ist nun an der Zeit, dass wir dieses Problem gemeinsam angehen.“ Es stünden genügend Testkids und Laborkapazitäten zur Verfügung, betonte er. Ziel sei es, rund 250 Tests täglich durchzuführen.
Laut einem WHO-Bericht vom Dienstag sind in Burundi lediglich 269 Corona-Infektionen verzeichnet, davon ein Todesfall. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass die Dunkelziffer aufgrund der bislang nicht durchgeführten Tests und vermiedenen Vorkehrungsmaßnahmen deutlich höher liegt.
In den vergangenen Tagen gingen in Burundi Gerüchte um, auch der frisch ernannte Premierminister Alain-Guillaume Bunyoni sei mit Verdacht auf Covid-19 ins Hospital eingeliefert worden. Der Posten des Premierministers war 1998 abgeschafft worden, seitdem konzentrierte sich die Macht ganz im Präsidentenamt.
Machtkampf in der Regierungspartei
Die Wiedereinführung des vom Präsidenten getrennten Regierungschefs sowie die Ernennung Bunyonis auf diesen Posten durch das Parlament zeugen nun von Machtkämpfen innerhalb der Regierungspartei CNDD-FDD (Nationalrat/Kräfte für die Verteidigung der Demokratie), eine ehemalige Hutu-Rebellenbewegung, nach dem Tod ihres langjährigen Führers Nkurunziza.
Präsident Ndayishimiye, einst Armeechef, und Premierminister Bunyoni, einst Sicherheitsminister, sind beides hohe Generäle und waren Guerillaführer im Bürgerkrieg von 1993 bis 2005. Beide sind radikale Hardliner, beide galten als potenzielle Nachfolger des verstorbenen Präsidenten. Dass Nkurunziza sich zu Beginn des Jahres für Ndayishimiye entschied, hatte Parteikader im Bunyoni-Lager verärgert.
Offenbar sucht Ndayishimiye nun den Schulterschluss, indem er Bunyoni an seine Seite holt. Dieser steht aufgrund mutmaßlicher Menschenrechtsverbrechen auf der US-Sanktionsliste, ebenso wie der frisch ernannte Innen- und Sicherheitsminister Gervais Ndirakobuca, der als „Ndakugarika“ („Ich werde dich aufhängen“) bekannt ist.
Immerhin: Minister für Soziale Fragen und Menschenrechte wurde Immelde Sabushimike, ein Vertreter der Twa-Minderheit. Es ist das erste Mal, dass die Twa, umgangssprachlich als Pygmäen bekannt, in der Regierung vertreten sind.
Hoffnung auf Öffnung
Internationale Menschenrechtsorganisationen hegen nun Hoffnung, dass sich das Land unter dem neuen Präsidenten Ndayishimiye öffnet und auch im Umgang mit Menschenrechten eine Kehrtwende vollzieht. Derzeit leben nach UN-Angaben 335.000 Burunder als Flüchtlinge in Nachbarländern. Politische Gewalt, vor allem durch Milizen der Regierungspartei und Sicherheitskräfte, hat seit 2015 nach UN-Schätzungen mindestens 1.700 Tote gefordert.
Die UN-Untersuchungskommission für Burundi forderte am Dienstag die neue Regierung auf, „den Kreislauf von Gewalt zu durchbrechen“ und wieder mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. 2019 hatte Burundis Regierung das Büro der UN-Menschenrechtskommission in Bujumbura geschlossen und Burundis Mitgliedschaft beim Internationalen Strafgerichtshof gekündigt.
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