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Corona im IrakNicht nur Covid tötet die Kranken

In Bagdad kämpft ein 26-jähriger Arzt um das Leben seiner Covid-Patienten. Die Zustände in Iraks Gesundheitswesen seien eine Katastrophe, sagt er.

Fühlt sich vom Staat allein gelassen: der irakische Arzt Omar Osama Foto: privat

Kairo taz | Stöhnen und Husten, piepende Maschinen und Pflegepersonal, das ruhig auf die Patienten einredet: Das ist die Geräuschkulisse in der Audiobotschaft, die der irakische Arzt Omar Osama auf die Bitte hin schickt, seinen Arbeitsalltag zu beschreiben auf einer Covidstation im Al-Ataa-Krankenhaus in der irakischen Hauptstadt Bagdad. „Andere hören morgens Vogelzwitschern, ich habe diese Geräuschkulisse menschlichen Leids um mich herum“, sagt der 26-Jährige. Täglich stürben auf seiner Station vier bis fünf Menschen.

Als Ende April auf einer Covidstation in einem anderen Krankenhaus in Bagdad mehrere Sauerstofftanks explodierten und im anschließenden Feuer 82 Menschen ums Leben kamen, war Omar zu Hause. Ein Kollege rief ihn an und erzählte, dass auch eine eng befreundete Ärztin gestorben sei. „Es sind Korruption und Misswirtschaft, die dazu geführt haben, dass Patienten, medizinisches Personal und Besucher sich in verkohlte Leichen verwandelten und dass die Patienten Rauch statt Sauerstoff eingeatmet haben“, sagt Omar wütend.

Die Korruption fresse alle Institutionen im Irak auf. „Trotz des großen Budgets des Gesundheitsministeriums sind die Krankenhäuser in einem vernachlässigten Zustand. Keiner weiß, wohin das Geld fließt.“ Das ausgebrannte Spital habe nicht einmal ein Feuerlöschsystem gehabt. „Das allein ist schon eine Katastrophe“, sagt Omar.

Immerhin hatte die Katastrophe dieses Mal Konsequenzen: Am Dienstag, mehr als eine Woche nach dem verheerenden Feuer, reichte der irakische Gesundheitsminister Hassan al-Tamimi seinen Rücktritt ein. Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi nahm das Rücktrittsgesuch an. Auch wurden der Direktor des Krankenhauses und sein Verwaltungsassistent ihrer Posten enthoben.

Ärzte sorgen sich um Sicherheit

Der Arbeitsalltag irakischer Ärzte ist auch in Pandemiezeiten kaum mit dem ihrer europäischen Kollegen zu vergleichen. Die Hindernisse fangen für Omar schon auf dem Weg zur Arbeit an. „Das beginnt bei den Straßensperren, an denen ich angehalten werde. Eigentlich haben Ärzte eine Sondergenehmigung, aber vor ein paar Tagen hat mich ein Sicherheitsbeamter nicht durchgelassen“, erzählt Omar.

Korruption und Misswirtschaft haben dazu geführt, dass sich Patienten in verkohlte Leichen verwandelten

Omar Osama, Arzt in Bagdad

Er habe den Beamten gefragt, ob er wirklich wolle, dass er zurück nach Hause gehe, denn er behandle Menschen mit Corona. Die Antwort war offen feindselig: „Ihr Ärzte seid diejenigen, die die Menschen umbringen.“ Er zwang Omar umzudrehen. „So etwas passiert öfters“, sagt der Mediziner.

Ein anderes Problem der Ärzte im Irak ist die persönliche Sicherheit. Das Stammes- und Clansystem reicht bis in die Covidstation hinein. Stirbt ein Patient, passiert es nicht selten, dass deren Angehörige mit Hilfe ihrer familiären Verbindungen im Gesundheitsministerium intervenieren, um zu bewirken, dass ein Arzt entlassen wird.

„Wir Ärzte haben sogar einen Ausdruck dafür“, sagt Omar, „wir nennen das eine Stammes-Kündigung.“ Auch geschehe es immer wieder, „dass wir von Angehörigen bedroht oder sogar verprügelt werden“. Ihm selbst sei das mehrmals passiert. Direkt neben der Station haben die Ärzte deswegen einen Schutzraum, in dem sie sich notfalls einschließen können.

Vom Staat können die Krankenhausärzte, die im Schnitt umgerechnet 600 Euro im Monat verdienen, keinen Schutz erwarten. Sie fühlen sich alleingelassen. Das gilt aber auch für die Patienten und für deren Familien, die vom Krankenhauspersonal oftmals losgeschickt werden, um benötigte Medikamente teuer auf dem freien Markt zu besorgen, weil diese im Spital nicht vorrätig sind.

Picknickszenen im Krankenhaus

Hinzukommt das Besucherproblem: „Eigentlich arbeite ich in einem Krankenhaus, das isoliert sein sollte von der Umwelt, aber niemand wagt es, die Angehörigen und Besucher aufzuhalten“, erklärt der Arzt. Manchmal säßen bis zu drei Angehörige am Bett der Infizierten. „Das gleicht dann eher einer Picknickszene.“

In all dem fühlt sich Omar hilflos. Er kann die Lage nicht ändern und für viele seiner Patienten kommt jede Hilfe zu spät. „Ich erlebe viele schmerzhafte Geschichten, oft ohne etwas tun zu können.“ Wenn er nach Hause komme, lege er sich schlafen und versuche, alles zu vergessen. Aber das gelinge nicht immer: „Wenn ich deprimiert bin, bleibe ich einfach in meinem Zimmer. Ich will sichergehen, dass meine Familie nichts mitbekommt.“

Das wahre Ausmaß der Coronapandemie im Irak kennt niemand. Selbst offiziellen Angaben zufolge, denen kaum jemand glaubt, wurde vor Kurzem die Marke von einer Million Infektionen überschritten. Mehr als 15.000 Todesfälle wurden im Zusammenhang mit Covid gemeldet. Ende April hatte noch nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung zumindest eine Dosis Impfstoff erhalten. Immerhin: Omar war einer davon. Er hat vor Kurzem seine erste Dosis AstraZeneca bekommen.

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