Corona-Virus: Sorgen im Dong-Xuan-Center

Im Asia-Großmarkt sorgen sich Händler um den Warennachschub. Am Wochenende beginnt die Rückreise vom Neujahrsfest in China.

Atemmasken gehören 2020 dazu: Das chinesische Neujahrsfest wird auch in Spanien gefeiert Foto: dpa

„Soll ich das Schiff bestellen oder nicht? Sagen Sie es mir!“ Der Inder Ajay Kumar steht ratlos in seinem Großhandelsladen im Dong-Xuan-Center in Lichtenberg, dem größten Berliner Asiamarkt. Er importiert und verkauft Spielzeug, Handys und Gläser. 80 Prozent seiner Ware komme aus China, 20 Prozent aus Indien, erläutert er der taz. Noch seien seine Lager gut gefüllt. Doch im Mai brauche er Nachschub aus China und der müsse in zwei Wochen geordert werden. Aber: Werden dann wegen des Coronavirus in China noch Spielwaren produziert und Schiffe mit Waren China verlassen können? Wird der deutsche Zoll neue Einfuhrbestimmungen in puncto Hygiene erlassen? Ajay Kumar fühlt sich vor allem von den deutschen Behörden allein gelassen. „Niemand erklärt uns Importeuren, wie es weiter geht,“ klagt er.

Das Dong-Xuan-Center ist der asiatischste Ort in Berlin. Großhändler aus Vietnam, China, Indien und Pakistan verkaufen hier Waren für Shops in ganz Berlin, Brandenburg und darüber hinaus. Mitten in die Feiern zum vietnamesischen und chinesischen Neujahrsfest drangen die Nachrichten über den neuartigen Virus in China und in seinen Nachbarstaaten, der sich rasant ausbreitet. Der Virus ist im Asiamarkt das Gesprächsthema. Dabei spielen Ängste um die Gesundheit nur eine geringe Rolle. Weit schwerer wiegen die Ängste vieler Berliner Asiaten vor wirtschaftlichen Nachteilen.

„Wir haben noch genug Waren“, sagt ein Verkäufer in einem von Chinesen betriebenen Großhandelsladen. „Aber vor ein paar Tagen sollte ein Schiff aus China mit solchen Elektrosachen kommen.“ Er zeigt auf die Wasserkocher im Laden. „Mein Chef weiß nicht, warum das Schiff nicht hier ist. Es kann sich wegen der Neujahrsfeiern verzögern. Es kann aber auch an dem Virus liegen.“

Ein paar Läden weiter bewahrt eine Berlinerin mit chinesischen Wurzeln die Ruhe. „Die Medien stellen alles schlimmer dar. Die Nachbarn verbreiten Hysterie. Aber mir kann eigentlich nichts passieren,“ ist sie überzeugt. Die Textilien, die sie verkauft, kämen aus Italien, und Verwandte in China, um die sich sorgen müsse, hätte sie auch keine. „Ich lebe ja schon in der dritten Generation in Deutschland.“

Über die Feiertage in der Heimat

Das sieht Ngoc Nguyen, ein älterer Vietnamese, anders. „Wir können alle betroffen sein. Das kann schon nächste Woche passieren“, sagt er und nimmt die taz-Mitarbeiterin mit zu einem großen Lebensmittel-Einzelhandelsladen in einer anderen Verkaufshalle. „Schauen sie mal. Lebensmittel müssen frisch importiert werden. Bei denen fangen die Probleme an.“ Doch die Regale in dem Laden sind gut gefüllt, der Laden ist voller Kunden. Wovon spricht der Mann? Ngoc Nguyen aber zeigt auf ein paar ältere Männer, die gerade säckeweise Reis, Fisch und asiatische Gewürze aus dem Laden schleppen. „Die kaufen Vorräte, weil sie Angst haben, nächste Woche ist hier zu,“ sagt er und erläutert: Die Neujahrsfeiern in China, Vietnam und Korea nähern sich dem Ende.

Viele asiatische Berliner sind über die Feiertage in die alte Heimat gefahren. „Am Wochenende startet der Rückreiseverkehr. Und bei so vielen Kranken in China wird die Krankheit dann auch hierher kommen“, ist sich Ngoc Nguyen sicher. „Und dann“, der Mann fasst sich an den Kopf, „wissen wir nicht, ob die Behörden vielleicht das Dong-Xuan-Center und noch mehr in Berlin schließen oder ob die Kunden aus Angst vor der Krankheit nicht mehr hierher kommen.“ Der ältere Vietnamese spielt auf einen Vorfall 2003 in Moskau an: Damals hatte der ebenfalls in China ausgebrochene und tödlich wirkende SARS-Erreger einen Mann in einer russischen Grenzstadt zu China im Fernen Osten betroffen. Als Reaktion schloss die Moskauer Stadtverwaltung einen Tag später sämtliche Asiamärkte in der Metropole, in Moskau sei eine panische Angst vor asiatisch aussehenden Nachbarn ausgebrochen. Eine Erfahrung, die sich auch Berliner Vietnamesen und Chinesen eingebrannt hat, denn viele haben Verwandte und Bekannte in Moskau. „Die waren alle ruiniert“, sagt der Mann.

Im China-Restaurant im Savignyplatz „Fresh and Healthy Asia Food“ ist von den Ängsten noch nichts angekommen. „Die Großhändler versorgen uns zuverlässig mit Ware“, sagt die Inhaberin. „Und sie haben nicht gesagt, dass sie das ändert. Viele Waren kommen ohnehin aus Holland.“ Aber ja, ergänzt sie, um die Menschen in Zentralchina sorge sie sich. Um sich selbst allerdings nicht.

Berlin-Reise abgesagt

Eine Gruppe chinesischer Studentinnen, die gerade in das Restaurant kommt, macht sich Sorgen um die eigene Gesundheit. „Ich habe meine Chinareise für die Semesterferien gerade storniert“, sagt eine junge Frau der taz. Sie ist offenbar nicht die einzige. Lufthansa-Sprecher Martin Leutke spricht von einer „leicht zurückhaltenden Buchungslage“ bei China-Reisen.

Die Senatskanzlei teilt der taz am Dienstagnachmittag mit, dass eine Pekinger Wirtschaftsdelegation ihre für Februar geplante Berlin-Reise wegen des Virus abgesagt hat. Die Büro der Berliner Wirtschaftsvertretung in Peking sei zudem mit Fragen Berliner Unternehmen konfrontiert, ob sie ihre in den nächsten Wochen geplanten China-Reisen durchführen oder besser verschieben sollten. Dieses Büro sei allerdings derzeit nur eingeschränkt arbeitsfähig. Die chinesische Regierung hätte die offiziellen Feiertagszeiten in China verlängert und damit in die Arbeitszeiten des Berliner Büros eingegriffen.

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