Corona-Verordnung in Bremen und Musik: Nur Flöten sind gefährlich
Singen und Orchesterproben mit Blasinstrumenten sind in Räumen nach wie vor nur mit zwei Leuten erlaubt. Trotz Studien, die sagen, wie es sicher geht.
In Bremen dürfen Musiker*innen, die singen oder ein Blasinstrument spielen, nur zu zweit oder mit Personen aus dem eigenen Haushalt in geschlossenen Räumen proben. Ausgenommen ist berufliches Musizieren. So steht es in der aktuellen Coronaverordnung.
Der Landesmusikrat protestiert mit seinem Brief gegen die „Ungleichbehandlung der Musik“ – in einer Zeit, in der „die identitäts- und zusammenhaltstiftende gesellschaftliche Funktion von Musikensembles“ dringend nötig sei. Nach Monaten der Abstinenz kämpften viele Ensembles um ihren Erhalt.
Martin Lentz, Dirigent
„Inkonsistent“ nennen die Verfasser*innen die Regelungen in der Musik mit Blick auf Gastronomie und Sport. Und auch mit Blick auf Niedersachsen: Dort dürfen Ensembles bereits seit wenigen Wochen wieder drinnen proben, natürlich mit strengen Regeln. Auch Hamburg hat am Dienstag Chor- und Blasmusikproben in Innenräumen erlaubt.
Die Verbände appellieren an den Senat: „Retten Sie diesen wertvollen Grundpfeiler unseres Bremer Musiklebens!“ Die Bedeutung der Musik, gerade für junge Menschen, bekommt Petritzki aktuell mit. Vor der Pandemie habe man manchmal mit Unlust bei einzelnen Schüler*innen zu kämpfen gehabt, „aber jetzt schätzen sie das wahnsinnig“.
Vergangenen Sonntag hat das Jugendsinfonieorchester trotz der aktuellen Verordnung geprobt – im Nachbarland. Man habe sich natürlich an die niedersächsische Verordnung gehalten, sagt Dirigent Martin Lentz. Im Juli soll das Orchester ein Open-Air-Konzert im Bürgerpark spielen. „Wir brauchen diese Proben ganz dringend“, sagt Lentz. „Wie will man Konzerte machen, wenn man nicht proben darf?“
Im Vergleich zu anderen Regelungen wie dem Arbeiten im Großraumbüro findet er das Verbot für Bläser „lächerlich“. Selbst in die Bremenhalle am Flughafen, die von der Musikschule momentan für Orchester angemietet wird, dürfe er theoretisch nur mit zwei Spielern. Und das auf rund 800 Quadratmetern Fläche. „Wer soll das ernst nehmen?“ Besonders ärgerlich sei die Situation, weil Studien belegten, dass von Blasinstrumenten nicht die Gefahr ausgeht, wie am Anfang der Pandemie befürchtet.
Lentz meint Studien, wie sie zum Beispiel das Uniklinikum Erlangen gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt hat. Bereits im vergangenen Jahr fanden sie heraus, dass in permanent gelüfteten Räumen das Spielen von Blasinstrumenten mit einem Abstand von eineinhalb Metern zur Seite und zwei Metern nach vorne sicher möglich sei – ausgenommen die Querflöte, die zu ihrem Vorderinstrument besser drei Meter Abstand halten sollte. „Wir hoffen, dass die Erkenntnisse schnell in die Vorgaben von Entscheidungsträgern einfließen“, sagte der Manager des Symphonieorchesters des Bayrischen Rundfunks damals.
Zweieinhalb Meter Abstand beim Singen
Die Forschenden fanden auch heraus, wie es sich mit Aerosolen beim Singen verhält: Zur Seite reichten wohl auch der Abstand von eineinhalb Metern, nach vorne seien zweieinhalb gut; Trennwände noch besser. Voraussetzung auch hier: ständiges Lüften.
Während für Orchester die Proben unter freiem Himmel wegen der Logistik und empfindlichen Instrumenten eher keine Lösung sind, scheitert es bei Chören am Klang. „Es ist besser als nichts, aber der Klang fliegt in alle Himmelsrichtungen weg“, sagt Kirsten Bodendieck, Vorsitzende des Kreischorverbands Bremen.
Auch sie hat den Brief unterzeichnet und möchte, dass auch Chöre wieder rein dürfen. Natürlich mit Regeln und zunächst in Kleingruppen. „Von jetzt auf gleich große Gruppen in Räumen kann ich mir nicht vorstellen, und die Sängerinnen und Sänger wollen das wahrscheinlich auch nicht.“ Einige Chöre hätten bereits Probleme, ihre Mitglieder wieder zusammen zu klauben. „Manche haben sich bereits aufgelöst.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!