Corona-Prävention an Bremer Schulen: Hilflos im Klassenraum

Wenn die Schulen und Kitas offen bleiben sollen, braucht es schärfere Regeln, weil sich Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern ausgeliefert fühlen.

Ein Klassenraum voller Kinder

Ohne Abstand: Unterricht in einer 3. Klasse in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Jens Büttner / dpa

Es ist richtig, Schulen und Kindertagesstätten nicht wie im Frühjahr als Erste, sondern als Letzte zu schließen. Aber dass Bremens rot-rot-grüne Regierung für diese schärferen Coronamaßnahmen verweigert, ist angesichts der hohen Fallzahlen gefährlich.

Und zwar nicht, weil sich das Virus in Bildungsstätten rasant ausbreitet, sondern weil sich dort sehr viele Menschen derzeit schutzlos ausgeliefert fühlen. In den meisten anderen gesellschaftlichen Bereichen kann man sich mit Masken schützen oder Menschenmassen meiden. In Schulen und Kindertagesstätten ist das schwer, zum Teil gar nicht möglich.

Es geht nicht darum, wie hoch die Ansteckungsgefahr im Klassenraum wirklich ist oder wie gut eine Stoffmaske Viren abfängt. Dazu ist immer noch zu wenig belastbares Wissen vorhanden. Es geht darum, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern – und damit einem großen Teil der Bevölkerung – das Gefühl der Selbstwirksamkeit zurückzugeben.

Denn wer sich über einen längeren Zeitraum hilflos fühlt, wird krank, entwickelt psychische Störungen. Das ist im Gegensatz zur Wirksamkeit von Coronapräventionsmaßnahmen bewiesen.

Wenn also der Senat – und allen voran die SPD mit ihrem unbeirrbaren Glauben an das Bildungsversprechen – behauptet, im Interesse von Kindern und Jugendlichen zu agieren, muss er jetzt die Maskenpflicht auch für jüngere Schüler*innen einführen und vor allem Gruppen verkleinern.

Ja, das führt zu Betreuungsproblemen. Die bekommen wir aber auch, wenn Lehrer*innen, Erzieher*innen und Eltern an Covid-19 erkranken. Oder wegen Dauerstress im Frühjahr zusammenklappen.

Gruppen müssen kleiner werden

Betreuung für die, die sie brauchen, lässt sich organisieren. Vielleicht in Kooperationen mit Vereinen, Kulturorganisationen. Dazu müsste man aber der Tatsache ins Auge sehen, dass in diesem Schuljahr auch in Deutsch und Mathe weniger Stoff durchgenommen werden kann als geplant. Und dafür andere Kompetenzen gefragt sind, die zum Beispiel im künstlerischen Umgang mit der Pandemiesituation oder draußen in der Natur entwickelt werden.

Dass in halben Gruppen nur halb so viel gelernt werde, wie Bürgermeister Andreas Bovenschulte behauptet, muss er noch nachweisen. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Kinder in kleineren Klassen in kürzerer Zeit mehr lernen. Eine angstvolle, angespannte Atmosphäre steht dem Lernerfolg in jedem Fall im Weg.

Dass der Senat jetzt offenbar überlegt, den Schulen die Entscheidung zu überlassen, deutet nicht darauf hin, dass er verstanden hätte, was auf dem Spiel steht.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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