■ Contra: Warum Belgrads Angebot einer Waffenruhe nichts wert ist: Milosevic bleibt hart
Soll die Nato nach 14 Tagen Luftangriffen nach dem ersten Strohhalm aus Belgrad greifen, der ihr hingehalten wird? Wenn man sich nicht nur auf die einseitige Waffenruhe über das orthodoxe Osterfest bezieht, sondern die anderen Absichtserklärungen aus Belgrad mitberücksichtigt, dann zeigt sich vor allem eins: Der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic bleibt im Kern der Sache unnachgiebig.
Bedenklich stimmt bereits, daß es nicht der starke Mann in Belgrad selbst war, der am Dienstag vor die Fernsehkameras trat und eine Erklärung abgab, sondern daß dies den Politikern aus der zweiten Reihe vorbehalten blieb. Das läßt angesichts der Machtverhältnisse in Jugoslawien erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vorschläge aus Belgrad aufkommen.
Mehr noch: Inhaltlich bewegt sich die jugoslawische Regierung um keinen Deut. Nach wie vor lehnt sie ausdrücklich die Stationierung internationaler Friedenstruppen im Kosovo ab – generell und nicht nur unter einem Oberbefehl der Nato. Und das Angebot, nur mit dem gemäßigten Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, eine „vorübergehende Vereinbarung“ über die Zukunft des Kosovo „innerhalb Serbiens und Jugoslawiens“ auszuhandeln, zeigt, daß Belgrad die Zusammensetzung der albanischen Verhandlungsdelegation in Rambouillet und Paris nicht akzeptiert.
In diesem Team saß nicht nur Rugova, sondern auch Vertreter anderer Parteien, einschließlich der Befreiungsarmee UÇK. Mit Rugova, der jetzt als „gewählter Führer“ bezeichnet wird, zu verhandeln – dazu hatte Milosevic zehn Jahre Zeit. Man mag von der UÇK halten, was man will, aber jetzt die Rugova-Karte zu ziehen entspricht nicht mehr den politischen Realitäten im Kosovo.
Als blanken Zynismus schließlich muß man das „Angebot“ zur Rückkehr der Flüchtlinge bezeichnen. Ein Regime, das – den mageren vorliegenden Informationen zufolge – seit dem 24. März dazu übergegangen ist, große Teile der albanischen Bevölkerung systematisch zu vertreiben, lädt eben diese Menschen nun zur Rückkehr ein? Ohne internationalen bewaffneten Schutz, ohne internationale Beobachter, ohne Garantien für ihre Sicherheit? Darauf läßt sich nur mit einem glatten Nein antworten. Alles andere wäre den Menschen gegenüber unverantwortlich. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß ein weiteres „Angebot“, nämlich der Abzug der serbischen Polizei- und Armeekräfte (in welchem Umfang auch immer), schon wieder relativiert worden ist. Innenminister Milan Komnenic ließ gestern keinen Zweifel daran, daß die Truppen trotz der Waffenruhe das Kosovo nicht verlassen würden. Wenigstens einmal ein klares Wort.
Die Nato hat die Belgrader Erklärung umgehend als unzureichend abgelehnt. Doch das westliche Verteidigungsbündnis stilisiert dieses zugleich zu einem eigenen Erfolg hoch. Sie behauptet, die Erklärung beweise, daß die Luftangriffe „wirksam“ seien.
Das zeigt, wie groß der Erfolgsdruck für die Nato nach zwei Wochen Krieg ist. Die serbische Vertreibungspolitik im Kosovo, die (unüberprüfbaren) Berichte über Massaker, die drohende Destabilisierung Makedoniens und Montenegros (in der Nacht zum Mittwoch wurden erneut Ziele in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica angegriffen) – all das ist das genaue Gegenteil dessen, was die Nato mit ihrem Einsatz erreichen wollte. Wenn ein paar vage Absichtserklärungen aus Belgrad schon ausreichen, um nun von einem „Erfolg“ zu sprechen, dann muß der wohl mit der Lupe gesucht werden.
Auch wenn das Vorgehen der Nato gegen Restjugoslawien genug Anlaß zur Kritik gibt, so besteht dennoch kein Grund, auf solche Erklärungen, wie sie jetzt aus Belgrad gekommen sind, einzugehen.
Beate Seel ist Leiterin des Auslandsressorts und gehörte 1979 zu den Gründern der taz.
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