Computermagazin „WASD“: Krieg und Spiele
Das alternative Computermagazin „WASD“ will den Games-Journalismus à la Warentest beenden und Geschichten erzählen. Luft nach oben ist da noch.
„Oft liest sich deutscher Gamesjournalismus noch so, als würden dort Staubsaugerroboter getestet“, sagt Christian Schiffer. Und bringt damit eine zuletzt häufig geäußerte Kritik auf den Punkt.
Während Computerspiele in Sachen Umsatz und Verbreitung seit Jahren andere Branchenzweige der Unterhaltungsindustrie einkassieren, verläuft ihre Emanzipation zum Kultur- und Feuilletongut schleppend. Nicht zuletzt, weil der Mainstream-Spielejournalismus bis heute sehr technisch und deskriptiv geblieben ist und die Frage vernachlässigt, was die Spiele eigentlich über uns aussagen – und was sie mit uns machen.
Also hat Christian Schiffer etwas dagegen getan. Im Sommer erschien die erste Ausgabe der WASD, die der freie Radiojournalist („Zündfunk“) in seiner Freizeit produziert hat, mithilfe von vielen freien Autoren. Seit Donnerstag liegt das zweite Heft vor.
Die WASD will anders sein: „ohne Prozentwertungen, ohne Tabellen, ohne Stiftung-Warentest-Attitüde und Spielspaßgraphen“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Im Taschenbuch-Format, auf edlem Munken-Papier gedruckt, mit einer aufgeräumten grafischen Anmutung und einem Preis von 14,50 Euro ist sie eher Buch als Magazin. „Bookzine“ nennt Schiffer das.
Keine Stiftung Spieletest
Die zweite Ausgabe hat „Select System – Games und Politik“ als Schwerpunkt: Es geht um die Kooperationen von Spieleindustrie und Militär. Es geht um die Frage, ob man in Politsimulationen überhaupt moralisch handeln kann – etwa anhand des Spiels „Hidden Agenda“ von 1988, in dem man den Machthaber eines kleinen Staates spielt und infolge von massiver US-Gegenpropaganda bald verwerfliche Entscheidungen treffen muss, wenn man sich an der Macht halten will.
Es geht um den Shitstorm gegen die Bloggerin Anita Sarkeesian, die Sexismus in der Gamerszene thematisiert hatte, und es gibt ein Interview mit den Machern der GaymerCom, einer schwulen Spielemesse. Dazu kommen – das dann schon – einige Spielevorstellungen und im hinteren Teil eine „Spielwiese“ mit allgemeinen Texten.
Den eigenen Anspruch, auch ein Magazin für Nicht-Gamer zu sein, erfüllt die WASD bei alldem allerdings nur bedingt. Schon der Titel ist ein Code, er steht für die typische Buchstabenkombination von Computerspielen mit Tastatursteuerung. Und auch sonst versuchen die Autoren nicht großartig, den Einsteigerleser mitzunehmen. Die Texte sind meist essayistisch, oft mit persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen an erste Spielerfahrungen, immer um kluge Gedanken bemüht (mal gelingt das, mal wirkt es aufgesetzt) und sich in ihrer Form recht ähnlich.
Was auch der wesentlichste Kritikpunkt an WASD ist: In Sachen Komposition und Rhythmus ist noch viel Luft nach oben. Viele ähnliche Texte folgen ohne erkennbares Muster aufeinander, es kommt mehrfach zu Themenüberschneidungen.
Zwei Level geschafft
Ein längerer Leitartikel, Kolumnen oder andere kleinteilige Elemente würden dem Heft guttun, dafür könnte man sich die ausgedachten Interviews mit Barack Obama und Bowser, einer Figur aus den „Super Mario“-Spielen, gerne sparen. Wenngleich die aktuelle Ausgabe eine deutliche Steigerung zur noch bestellbaren ersten darstellt. Dort ging es unter dem Motto „Tasty Trash“ um besonders schlechte Computerspiele, die ja eigentlich doch nicht schlecht sind – was eine lustige Idee für einen Text ist, aber eben nicht für ein Dutzend.
1.200 Exemplare des ersten Heftes wurden bisher verkauft, bei 3.000 liegt die Auflage der zweiten Ausgabe, für die erstmals Autorenhonorare gezahlt wurden. Das Risiko der Produktionskosten trägt Schiffer dennoch allein, der Vertrieb läuft händisch, per Onlinebestellung und Postversand.
Werbung gibt es nicht. „Der Spielejournalismus der Zukunft testet nicht, sondern erzählt Geschichten über die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und popkulturellen Zusammenhänge der Gameskultur“, so Schiffer. Zwei Level hat er schon geschafft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!