piwik no script img

■ KommentarCommon sense gefragt

Wenn Architekten samt ihren Berufsverbänden jetzt die „Demokratie als Bauherr“ beschwören, weil der Bund als Bauherr an der Spree anscheinend nichts mehr von den einstigen Idealen wissen will, klingt das naiv. Öffentlichkeit, Transparenz, Diskurs über gute Architektur oder gar die Kosten von Luxusministerien hat es weder in der Bonner Republik gegeben. Noch werden diese Ansprüche die Berliner Republik bauen. Der Inbegriff der bundesrepublikanisch-rheinischen Baukultur, der Bonner Plenarsaal von Günter Behnisch, formte sich keineswegs durch Partizipation zu einer Chiffre der Demokratie. Es ist bekannt, daß der Dickkopf Behnisch den gläsernen Bau mehr als einmal gegen die provinziellen Begehrlichkeiten vieler Parlamentarier durchboxen mußte. Geholfen haben ihm ein aufgeklärter, moderner Common sense seiner Architektenkollegen, die sich hinter ihn stellten – und weniger die Öffentlichkeit.

Für den Bund gelten beim Bau der Hauptstadt ganz andere Prioritäten: Schnelligkeit und Flexibilität, Investorenwettbewerbe und die Unkultur politischer Juryentscheidungen bestimmen die Tagesordnung. Der Umzugstermin ist die Maßgabe und weniger die qualitätvolle Architektur. Es bleibt keine Zeit zur Debatte, der Dialog zwischen Bauherr Bund und den Architekten ist gestört.

Angesichts der Bauwut des Bundes sind die Rufe nach mehr „Demokratie“ schlichtweg die falsche Strategie, denn sie verhallen im Baustaub. Sinnvoller wäre es, die Verbände forderten vom Bund die Einhaltung der Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe samt der Abschaffung der Investorenrunden, die nur die begüterten Stars noch reicher machen. Das wiederum setzt nicht nur voraus, daß die Verbände – wie Reinhold Ehlers vom BDA Berlin zu Recht fordert – „lauter werden“ und die Architekten ihre Kompetenz einklagen. Es setzt auch die Verantwortlichkeit der Baukollegen untereinander voraus – eben jenen Common sense. Rolf Lautenschläger

Siehe auch Bericht auf Seite 22

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen