Commerzbank will 6.000 Jobs streichen: „Ein Horrorkatalog“
Die angeschlagene Commerzbank kündigt bis 2017 einen massiven Stellenabbau an. Vor allem im Filialgeschäft gebe es Überkapazitäten, sagt der Personalchef.
FRANKFURT rtr | Bei der //www.commerzbank.de/de/hauptnavigation/home/home.html:Commerzbank ist jeder achte Arbeitsplatz in Gefahr. Personalchef Ulrich Sieber will in den nächsten vier Jahren 4000 bis 6000 der zuletzt 49.000 Vollzeitstellen im In- und Ausland streichen. Darüber hat Sieber den Gesamtbetriebsrat nun unterrichtet, wie die zweitgrößte deutsche Bank am Donnerstag in Frankfurt bestätigte. Die Pläne sind Teil eines milliardenschweren Sparprogramms, das die Bank im November vorgestellt hatte.
„Wenn wir unsere Ertrags- und Wachstumsziele unter anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen erreichen wollen, sind Anpassungen der Personalstruktur notwendig“, begründete Sieber das Vorhaben in einer Mitteilung im Intranet der Bank. Vor allem im Filialgeschäft, wo die Commerzbank seit langem kaum Geld verdient, gebe es deutliche Überkapazitäten. Kündigungen seien aber „immer das letzte Mittel“, betonte Bereichsvorstand Albert Reicherzer.
Bei Arbeitnehmervertretern stieß das Streichkonzert in einer ersten Reaktion auf Widerstand. „Das ist ein Horrorkatalog, den sich der Betriebsrat anhören musste“, sagte eine Person aus dem Umfeld des Gremiums. Die Einschnitte im Inlandsgeschäft seien größer als die Kürzungen nach der Fusion mit der Dresdner Bank vor vier Jahren.
Damals hatte die Bank weltweit rund 9000 Arbeitsplätze gestrichen. „Das ist nicht verhandlungsfähig“, sagte der Arbeitnehmervertreter. Nach dem Willen der Bank sollen die Verhandlungen im Februar beginnen. Ein Ende der Gespräche sei wegen der komplexen und vielfältigen Themen nicht abzusehen.
Viele Teilzeitkräfte
Der tatsächliche Abbau dürfte noch höher ausfallen als die genannten 4000 bis 6000 Stellen. Zum einen beschäftigt die Bank viele Teilzeitkräfte, die sich einen Arbeitsplatz teilen. So zählte die Commerzbank Ende September 56.000 Mitarbeiter. Zum anderen ist ein punktueller Personalaufbau in Sparten wie der Mittelstandsbank in die Zahlen schon eingerechnet.
Der Chef der Privatkundensparte, Martin Zielke, will die Öffnungszeiten der Filialen ausweiten. Zudem soll es künftig vier verschiedene Filialtypen geben, die Mitarbeiter sollen flexibel eingesetzt werden können. Zum Teil sollen sie laut Arbeitnehmervertretern auch auf Geld verzichten. Zielke hatte bereits signalisiert, je mehr die Arbeitnehmervertreter der Bank dabei entgegenkämen, desto geringer könne der Abbau ausfallen.
In den Zahlen enthalten ist auch der Schrumpfungsprozess der internen „Bad Bank“, die das Schiffs- und Immobilienfinanzierungsgeschäft in den nächsten Jahren abwickeln soll und die allein mehr als 1000 Menschen beschäftigt. Zudem sollen bestimmte Aufgaben an Billigstandorte verlegt werden. Sieber sprach von Outsourcing in begrenztem Umfang, die Arbeitnehmer dagegen von massiven Verlagerungen in Gesellschaften ohne Tarifbindung.
Aufatmen können die Beschäftigten des profitablen Online-Brokers Comdirect und der polnischen Tochter BRE Bank. Bei ihnen sei kein Arbeitsplatzabbau geplant, betonte die Bank. Deutsche Banken stehen vor allem im Privatkundengeschäft unter Druck. Zum einen ist die Konkurrenz mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken groß, zum anderen legen die Kunden ihr Geld lieber sicher in Tagesgeld an statt für die Banken lukrative Fonds und andere Kapitalmarktprodukte zu kaufen.
Hypovereinsbank will 45 Filialen schließen
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die HypoVereinsbank schon bis Ende 2014 bis zu 1000 Arbeitsplätze streichen und rund 45 Filialen schließen will. Betroffen sind bei der Tochter der italienischen UniCredit Insidern zufolge auch dort das schwächelnde Privatkundengeschäft sowie die Unternehmerbank. Die Postbank streicht ebenfalls hunderte Stellen. Auch die Muttergesellschaft Deutsche Bank hat Tausende Stellen außerhalb des Kerngeschäfts in Tochterfirmen ausgelagert.
Die Commerzbank-Aktie gab um knapp zwei Prozent nach. „Das ist kein sonderlich ambitioniertes Ziel. Die Aktie ist im Minus, weil man die Streichung schneller erwartet hätte“, sagte Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler. „Bis 2016 ist eine relativ lange Zeit.“ Im Schnitt verließen ohnehin drei Prozent der Belegschaft die Bank im Jahr freiwillig.
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