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Commerzbank-HauptversammlungGemeinsam gegen die Übernahme-Pläne von Unicredit

Beschäftigte und Vorstandschefin der Commerzbank werben auf dem Aktionärstreffen für die Unabhängigkeit des Geldhauses. Drinnen und draußen.

Streitbarer Gallier: Commerzbank-Beschäftigter zeigt sein Herz für den Finanzkonzern Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz | Die Voraussetzungen für den Schulterschluss hatten Management und Ar­beit­neh­mer­ver­tre­te­r:in­nen der Commerzbank gerade noch rechtzeitig geschaffen. Am Mittwochabend einigten sie sich auf Eckdaten für den geplanten, nun für die Beschäftigten einigermaßen gut gepolsterten Abbau von 3.900 Stellen. Während der Hauptversammlung am Donnerstag konnten sie dann alle versöhnt gegen die Übernahmepläne der italienischen Großbank Unicredit wettern.

Draußen vor der Tür zum Aktionärstreffen empfingen rund 200 Ar­beit­neh­me­r:in­nen die An­teils­eig­ne­r:in­nen, verkleidet als Gallier mit commerzbank-gelben Herzen und Schildern wie „Allein sind wir besser dran“. Drinnen warb Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp für die Unabhängigkeit des Instituts. „Es ist unser Ziel, die Commerzbank, als feste Größe unter den erfolgreichen europäischen Banken zu etablieren“, sagte sie.

Die Unicredit hatte im September überraschend zunächst 9 Prozent der Commerzbank-Aktien erworben – die Hälfte davon vom Bund, der mit jetzt noch 12 Prozent immer noch größter Eigner ist. Allerdings baut die italienische Großbank ihren Anteil langsam weiter aus, ab 30 Prozent müsste sie ein offizielles Übernahmeangebot für alle Aktien abgeben. Käme eine Fusion zustande, entstünde eine Großbank, die mit einer Bilanzsumme von rund 1.300 Milliarden Euro das drittgrößte europäische Geldinstitut wäre.

Zur Hauptversammlung war kein Ver­tre­te­r der Italiener angemeldet. Offenbar will sich Unicredit-Chef Andrea Orcel Zeit lassen – womöglich bis 2027, wie er zuletzt als Option aufgeworfen hatte. In der Zwischenzeit nutzt er andere Auftritte, um die Performance seines Zielobjekts herunterzureden und damit womöglich den Preis zu drücken. Die Commerzbank sei deutlich unattraktiver als die deutsche Unicredit-Tochter Hypo-Vereinsbank (HVB), sagte er beispielsweise.

Warnendes Beispiel HVB

Tatsächlich ist deren Eigenkapitalrendite mit 22 Prozent beinahe doppelt so hoch wie die der Commerzbank. Parallel versucht Orcel, an die neue Bundesregierung heranzukommen, um die Hauptaktionärin für den Fusionsplan zu gewinnen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg verschickte er am Dienstag einen „devoten Brief“ mit Gesprächs­angebot.

Gerade das Beispiel HVB könnte aber auch den neuen Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) abschrecken – wie es beim Betriebsrat längst der Fall ist. Denn seit deren Übernahme vor knapp 20 Jahren sind dort mehr als 60 Prozent der Stellen weggefallen – das täte der Belegschaft noch deutlich mehr weh als das jetzige Abbauprogramm.

Ohnehin zeigt sich Orlopp, die der Commerzbank erst seit vergangenem Herbst vorsteht, gewieft im Abwehrkampf. „Momentum“ heißt die Strategie, mit der sie den Gewinn bis 2028 um mehr als die Hälfte auf 4,2 Milliarden Euro steigern will. Auch wenn dazu die Stellenstreichungen gehören, hat sie den Betriebsrat nun vorerst nicht nur mit dem Bekenntnis zur Unabhängigkeit, sondern auch mit Interessenausgleich und Sozialplan befriedet. Der Abbau soll über die Altersteilzeitangebote, Vorruhestandsregelungen und Abfindungen stattfinden.

Anleger werden gestreichelt

Weil die vor allem für den Mittelstand wichtige Commerzbank zudem direkt und indirekt vom Ausgabenprogramm der neuen Bundesregierung profitieren wird, ist der Aktienkurs im letzten Jahr um fast 70 Prozent gestiegen und hat die Bank deutlich verteuert. Mit saftigen Dividendenzahlungen gab es für An­le­ge­r:in­nen insgesamt sogar eine Gesamtrendite von 82 Prozent. Damit müsste die Unicredit ihnen schon einiges mehr bieten, als sie bislang vorgesehen hatte.

Gegenüber diesem Thema traten andere Punkte der Hauptversammlung komplett in den Hintergrund. Die Vereinigung der Kritischen Ak­tio­nä­r:in­nen hatte schriftlich beantragt, den Vorstand nicht zu entlasten, weil er seiner Verantwortung zum Klima- und Umweltschutz nicht gerecht werde. Diskutiert wurde darüber nicht. Für ihre Kritik an der Finanzierung von Expansionsvorhaben im Öl- und Gassektor werden die Ak­ti­vis­t:in­nen aber wohl eine andere Bühne finden.

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