Comic von Mahler über Literaturbetrieb: Unerbittlich wie Luthers Thesen
Der Comiczeichner Mahler beherrscht Satire. In „Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“ erzählt er Absurdes aus der Welt der Buchmenschen.
Fragt ein Kunde auf dem Buchmarkt: „He! Die 3 kg Handke, die Sie mir letztens angedreht haben, waren nicht mehr gut!“ Nach einigem Hin und Her verkauft ihm der Händler schließlich einen neuen Walser („die faulen Stellen kann man leicht wegschneiden“), eingewickelt in einen Coelho …
Bücher kaufen an der Theke wie auf dem Wochenmarkt? Darauf kann nur einer kommen: der österreichische Comiczeichner und Cartoonist Nicolas Mahler, kurz „Mahler“ genannt. In den letzten Jahren hat der 1969 geborene Wiener Künstler mit Vorliebe monumentale Werke der literarischen Moderne wie Musils „Mann ohne Eigenschaften“, Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ oder Joyce’ „Ulysses“ in deutlich kompaktere Comic-Versionen verwandelt. Ob diese zeichnerische Verdichtung in Mahlers typischer schwarz-weißer Strichmännchen-Ästhetik jeweils als Affront oder als angemessene Adaption zu bewerten ist, hängt vom Rezipienten ab. Und von dessen Humor.
Mahlers jüngster Band, „Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“, erschienen beim Berliner Verlag Reprodukt, widmet sich nicht, wie der Titel vermuten lässt, dem Werk jenes berühmten japanischen Filmregisseurs. Im Hauptteil des anekdotenreichen Buches geht es vielmehr um die skurrilen Erlebnisse Mahlers im Wunderland der Literatur.
Mahler vermischt „Autofiktionales“ (den Begriff entlarvt er als neumodisch: „Sagt man jetzt so in Literaturkreisen“) mit Gedanken zu manch kulturellem Phänomen, das oft auf einem Missverständnis beruht. Als Beispiel dient ihm der unverständliche Erfolg überlanger Knausgård-Bücher (Mahler: „Sprachdurchfall“) im Vergleich zu kunstvoll-knapp formulierten Film-Inhaltsangaben in „Halliwell’s Film-Guide“.
Man ließ Mahler lange schmoren
In einer Episode, die er zum 25-jährigen Jubiläum des Schweizer Comicmagazins Strapazin zeichnete, stellt Mahler seinen eigenen Werdegang pointiert dar: Mehrere Aktenordner voller Absageschreiben zu seinen Comics füllen ein ganzes Regal in Mahlers Wohnung. Zu Beginn seiner Karriere wollte er kommerziell arbeiten und bewarb sich bei Fix & Foxi – ohne Erfolg. Und selbst das Strapazin – bekannt für seine avantgardistische, für junge Talente offene Ausrichtung – ließ Mahler lange schmoren, bis er darin veröffentlichen konnte.
Mahler: „Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“. Reprodukt, Berlin 2023, 128 Seiten, 16 Euro
Doch irgendwann hat er es dann doch geschafft und macht sich nun mehrfach lustig über das unhandliche Überformat des Magazins. Die (angebliche) Leibesfülle des früheren Verlegers David Basler steht überdies im krassen Kontrast zu Mahlers gewohnter Selbstdarstellung als langgestreckter Spargel.
Der Zeichner nimmt auch aufwändige Investigativrecherchen in Buchhandlungen auf sich, sogenannte „Kundenbelauschungen“, um später in seinen Cartoons die absurden Dialoge als solche zu entlarven. Nebenbei lernt man, dass österreichische Schüler sich sehr gewählt ausdrücken können, wenn sie zum Beispiel Mahlers Vorträge über seine Literaturadaptionen als „fadisierend“ (langweilig) bezeichnen. Doch nicht nur die eigene Person steht im Fokus des Bandes, der Kulturbetrieb selbst wird zur Zielscheibe des zeichnenden Satirikers: Neben der Comicszene betrifft dies vor allem den deutschsprachigen Literaturbetrieb.
Gar nicht gut weg kommt bei ihm das Feuilleton. Mahlers Beobachtungen zufolge wird heute in den Besprechungen alles Gezeichnete als Graphic Novel bezeichnet: Burgtheater-Inszenierungen, kurze Filmanimationen, Comicstrips – alles wird derart gelabelt. Grund für ihn, unerbittlich wie einst Luthers Thesen – in einfacher Sprache – an die Tore des „vertrottelten“ Literaturbetriebs zu nageln: „Graphic Novel ist kein Style“, „Novel heißt Roman“, „vier Seiten sind keine Novel“. Das dürre Mahler-Alter-Ego schlägt wütend mit dem Holzhammer um sich, denn selbst das „biedere“ „Literarische Quartett“ verbreitet nur Unsinn, wenn es über Comics palavert.
Bissige Beobachtung, pointierte Erzählkunst
Mahlers wie immer schön zugespitzten bissigen Beobachtungen sind kleine Lektionen in pointierter Erzählkunst, deren grafische Einfachheit mit lockerem japanischem Pinselschwung ausgeführt wird.
Am Ende kommen Japan-Fans doch noch auf ihre Kosten, wenn Mahler von seinem Aufenthalt in Kioto berichtet, in einem „Land, das ich hauptsächlich aus Kurosawa-Filmen kenne“. Dabei erfährt man von Begegnungen mit ebenso witzigen japanischen Künstlerkollegen. Und dass das Manga-Genre „Ero Guro Nansensu“ Mahlers eigenen thematischen Vorzügen Erotik, Groteske und Nonsense entspricht. Ach was.
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