Comic „Metropolia – Berlin 2099“: Undurchdringbarer Moloch
Ein unwirtliches Berlin der Zukunft, das die Energiewende verpennt hat. Im Comic „Metropolia – Berlin 2099“ wird Strom wird für die allmächtige KI gebraucht.
Wird es wirklich so kommen, dass ab dem Jahr 2035 keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor in der EU zugelassen werden? Markus Söder wird jedenfalls weiterhin alles dafür tun, dass aus dem Plan nichts wird.
In dem Science-Fiction-Comic „Metropolia – Berlin 2099“ kriegt es die deutsche Automobilindustrie letztendlich erst in von heute aus gesehen 44 Jahren hin, auf emissionsfreie Kraftfahrzeuge umzustellen. Was dann aber ganz offensichtlich auch nichts mehr gebracht hat. In der Welt am Ende unseres Jahrhunderts, wie sie von dem französischen Szenaristen Fred Duval und dem in Berlin lebenden Zeichner Ingo Römling entworfen wird, gibt es nun gar keine Autos mehr.
Und das nicht, weil sich alle durch Teleportation fortbewegen, die endlich erfunden wurde, sondern schlichtweg wegen Ressourcenknappheit. Die Energiewende wurde verpennt und das Reisen ist zu einem unerschwinglichen Luxus geworden, den Menschen steht kein anderes Fortbewegungsmittel mehr zur Verfügung als das Fahrrad. Öffis gibt es noch in Berlin, das inzwischen zur größten Stadt Europas angewachsen ist. Ansonsten geht man zu Fuß und verlässt im Normalfall das Stadtgebiet nicht mehr. Die heutige Vision eines autofreien Berlins ist so immerhin wahr geworden.
Doch nur, weil man in der Zukunft wieder zu Fuß gehen muss, heißt das nicht, dass der Held dieses Comics, ein drahtiger Privatdetektiv im Cyberpunklook namens Sascha Jäger, sich durch eine nun verkehrsberuhigte Stadt mit Bullerbü-Anmutung bewegen würde. Das Berlin von morgen wirkt eher wie ein undurchdringbarer Moloch, in dem Roboterhunde herumspazieren, Hologramme auftauchen und wo das tägliche Leben von einer KI gesteuert wird.
Fred Duval/Ingo Römling: „Metropolia – Berlin 2099“. Splitter, Bielefeld 2025, 56 Seiten, 18 Euro
Den Bewohnern wird die Mobilität letztlich deswegen verwehrt, weil das Wenige an Energie, das noch gewonnen wird, für die allmächtige künstliche Intelligenz gebraucht wird. In einem von einer KI gesteuerten Hochhaus aus den 2030er Jahren, das als technisch längst veraltet gilt, muss Sascha Jäger im Auftrag des mächtigen Metropolia-Konsortiums einen Mord untersuchen. Und er wird bald feststellen, dass das Gebäude längst nicht mehr alle Dinge so erledigt, wie es das gemäß Programmierung tun sollte – die KI ist außer Kontrolle geraten.
Die Stadt wird ihr eigenes Museum
Am Reizvollsten an dem Comic ist die Darstellung der Stadt, die einfach nicht zu fassen ist, womit sich das Berlin-Lebensgefühl von heute im Berlin der Zukunft verstärkt hätte. Durch die Straßen laufen Roboter, aber auch ein Hirte mit seiner Ziegenherde. Die Stadt wirkt futuristisch in ihrer totalen digitalen Vernetztheit und den ganzen Möglichkeiten, die der Cyberspace bietet.
Gleichzeitig aber auch wie ihr eigenes Museum, in dem am Europa-Center immer noch der Mercedes-Stern prangt, obwohl es keine Autos mehr gibt, und in Mitte Straßenzüge von Gaslaternen gesäumt werden, die nicht mehr in Betrieb sind. Gut vorstellbar, dass Berlin in 69 Jahren tatsächlich so ähnlich aussehen wird.
Die Geschichte von Sascha Jäger im Kampf mit der Maschinenintelligenz wird routiniert erzählt, mit sehr viel Action-Szenen und hohem Tempo. Die beiden Comicautoren sind schon lange Profis und verstehen ihr Handwerk.
Am Ende bleiben freilich viele lose Enden. Was genau hat es mit dieser „Reise ohne Wiederkehr auf sich“, für die Sascha Jäger spart? Und wer genau verbirgt sich hinter der „Metropolia“-Organisation, die ganz Berlin zu beherrschen scheint? Die offenen Fragen werden dann wahrscheinlich im zweiten Band dieser Comic-Reihe beantwortet werden, der gerade vorbereitet wird.
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