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Comeback der OmaSie ist endlich wieder da

„Omas gegen Rechts“, „Omas for Future“, „Granfluencer“: Die Oma wird endlich nicht mehr nur auf dicke Strumpfhosen und bequeme Schuhe reduziert.

Die „Omas gegen Rechts“ demonstrieren in Hamburg Foto: Georg Wendt/dpa

E igentlich klingt das Wort – ja, man könnte sagen: die ­Anrede –doch sehr schön. Zwei Vokale, dazwischen ein Konsonant, musikalischer geht es nicht. Mit einem O fängt das Wort an, „Oh“ ist ein Ausdruck des freudigen Erstaunens. Es folgt ein m, so wie „mmh“, der Sound des Wohlbefindens. Am Ende schließt ein a das Klangerlebnis ab. Ein a am Ende eines weiblichen Namens, das ist immer würdevoll. Fertig ist „Oma“.

Meine Nachbarin Margot sah das anders. Sie untersagte ihrer Enkelin streng, sie Oma zu nennen. Dass jemand in der Öffentlichkeit, und sei es ein kleines Kind, mit dem Wort Oma nach ihr rufen könnte, war ihr, damals 59, ein Albtraum. Die Kleine musste sie im Sandkasten mit „­Margot“ anreden. Das Mädchen war völlig verwirrt. Die anderen Kinder hatten Omas, nur sie nicht. Tja.

In Kontaktanzeigen 80-jähriger Herren liest man Sätze wie: „Du bist eine Frau bis 60, bitte kein Omatyp.“ In einem Modeblog fragt jemand ängstlich: „Ist der Cardigan zu lang und wirkt omahaft?“ Omahaft! Das ist der Inbegriff von Unsexyness und kompletter Unbedeutsamkeit, ja vielleicht sogar von Verschandelung der Gesellschaft.

Ja zum Lebenspragmatismus

Röcke und dicke Strumpfhosen oder auch Elastikhosen, in Beige oder ­dunkel, bequeme Schuhe an den breit ­gewordenen Füßen, die grauen Haare sorgfältig gelegt und eine Brille mit dunklen Rändern auf der Nase – fertig ist der „Omatyp“. Viel geschmäht. Dabei handelt es sich hier in ­Wirklichkeit um die ­Protestuniform von Millionen Rent­ne­rin­nen, die Fuck off sagen zum Verjüngungsterror und Ja zum Lebenspragmatismus. Cool.

Wobei ich neuerdings sogenannte Boyfriendjeans bevorzuge. Die sind ein bisschen zu weit und hängen am Hintern. Finde ich sehr lässig. Zu weite Klamotten lassen einen irgendwie fragil wirken.

Egal in welchen Klamotten, die Oma erlebt ein Comeback. In den sozialen Medien präsentieren Enkel ihre Großmütter, die Märchen vorlesen und so „Granfluencer“ werden. Auch Groß­väter posieren in rosa Jeans.

Mit den Omas gegen Rechts und den Omas for Future wurde Oma sogar zum Ehrentitel für alte Powerfrauen, die sich gegen Rechtsextreme und für eine nachhaltige, enkelgerechte Welt einsetzen. Ich finde das sympathisch, habe allerdings mit den rosa Häkelmützen mancher Omas gegen Rechts Probleme. Steht mir einfach nicht.

Omas für Bares

Die politische Veredelung des Omatitels erweitert auch mein Spektrum. In meinen Träumen sehe auch ich mich politisch aktiv. Falls die Bezahlkarte für Geflüchtete in Berlin den Betreffenden wirklich Stress macht, so habe ich mit Freundin Hille besprochen, dann gründen wir auch eine Oma-Gruppe. Wir stellen uns immer Samstagfrüh vor Penny hin, mit Einkaufsbeuteln aus Jute, die wir mit der Aufschrift „Omas für Bares: die Geldwäscherinnen“ bedruckt haben. In mehreren Sprachen.

Bei uns um die Ecke auf dem Flughafen Tempelhof wohnen Hunderte von Geflüchteten. Sie könnten dann bei Penny mit ihrer Bezahlkarte Milch, Brot und Gemüse für uns einkaufen, wir geben ihnen draußen Bargeld dafür zurück. So wenigstens ist die Idee.

Ja, man kann viel machen als Oma. Auch nur auf dem Spielplatz stehen, die Kleine schaukeln, die mich seit Kurzem mit „Oma“ anredet, weil sie gerade sprechen lernt. Ich staune darüber, durch welche Rollen man so im Leben rauscht.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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