Cohn-Bendit für Minderheitsregierung: "Nur Rot-Grün verhindert Lähmung"
Der Grüne Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, plädiert für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen als Weg aus dem Patt. Die müsste sich von den Linken tolerieren lassen.
taz: Herr Cohn-Bendit, Hessen wird wohl künftig auch von einer Großen Koalition regiert. Oder hoffen Sie auf die Ampel?
Daniel Cohn-Bendit: Nein, eine Ampel wird es nicht geben. Da offensichtlich die FDP nicht willens und in der Lage ist, sich von ihrem Kochschen Rütli-Schwur zu lösen, müssen die Grünen sich politisch bewegen. Die Wähler haben eine höchst komplizierte Aussage gemacht.
taz: Setzen Sie immer noch auf eine rot-grün-rote Koalition?
Nein, eine rot-grün-rote Koalition wird es auch nicht geben.
taz: Was schwebt Ihnen dann vor?
Nur eine rot-grüne Minderheitsregierung kann eine Große Koalition der Lähmung aus Beton-CDU und Beton-SPD verhindern.
taz: Herr Cohn-Bendit, ich bitte Sie.
Warum nicht? Jetzt schlägt die Stunde der Politik. Gerade die Grünen....
taz: ...der zweite Wahlverlierer nach Koch...
... müssen beweisen, dass es Alternativen zur Großen Koalition gibt.
taz: Wie soll Rot-Grün konkret funktionieren?
Rot und Grün schließen eine Koalitionsvereinbarung und machen ein 100 -Tage-Programm mit vier Gesetzesvorlagen und zwei Bundesratsinitiativen. Ein Gesetz zur Schule, ein Gesetz zum Klima ausgerichtet an den Anforderungen von EU und Bund. Ein Gesetz zu sozialer Gerechtigkeit und Integration und eines zur präventiven Inneren Sicherheit. Das wird eingebettet in einen Nachtragshaushalt, der die Handschrift des sozial-ökologischen Wandels trägt. Dazu kommen zwei Bundesratsinitiativen zu Mindestlohn und Grundsicherung.
taz: Und dann?
Ypsilanti unterbreitet dieses Programm allen Parteien im Landtag. Sie kann dann mit Hilfe der Linken oder anderer zur Ministerpräsidentin gewählt werden.
taz: Was passiert, falls das gelingt?
Dann wird eine rot-grüne Regierung ernannt. Und dann haben wir die Auseinandersetzung da, wo sie hingehört - im Parlament.
taz: Und Hessen wäre erneut historische Experimentierstube.
Ja. Entweder läßt sich eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei mit diesen Themen im Parlament gestalten - oder nicht. Der Fortschritt ist: Die Linke muss sich dann der politischen Auseinandersetzung stellen.
taz: Alle werden schreien: Das endet im Chaos!
Nein, schlechtestenfalls in Neuwahlen mit Ypsilanti als Ministerpräsidentin.
taz: Was wäre dann gewonnen?
Rot-Grün hätte den Beweis erbracht, dass eine Linke im Parlament für lange Zeit nur Schwarz-Gelb oder eine Große Koalition bedeuten kann.
taz: Ein aufklärerischer oder pädagogischer Akt?
Die Politiker müssen handeln, sie müssen zeigen, dass es Alternativen zu einer Großen Koalition der Lähmung gibt. Jetzt kann die historische Stunde von Ypsilanti und Al-Wazir schlagen.
INTERVIEW: PETER UNFRIED
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