Clubkataster soll die Szene retten: Senator Geisel lässt tanzen
Der Bausenator will Clubs in den Innenstadtbezirken halten. Ein Kataster soll beim Wohnungsneubau Konflikte mit Investoren entschärfen.
Die Berliner Clubszene bekommt Rückendeckung von unerwarteter Seite: Bausenator Andreas Geisel (SPD) will Diskotheken, Clubs und Konzertorte in der Innenstadt halten und vor Konflikten mit Bauherren schützen. „Die vielen Musik und Cluborte sind eine Berliner Besonderheit – und ein harter Wirtschaftsfaktor. Deshalb müssen die Interessen der Szene angemessen berücksichtigt werden“, sagte Geisel am Dienstag bei der Vorstellung eines neuen Gesamtverzeichnisses aller Clubs.
Das „Clubkataster“, erstellt im Auftrag des Musicboard Berlin, ist seit Dienstag online. Der interaktive Straßenplan verzeichnet aktuell 373 geöffnete Musikspielstätten, davon 123 Clubs. Auch 768 längst geschlossene Diskotheken, Musikbars, Open-Air-Spielstätten und Event Locations sind abgebildet, die Erfassung beginnt mit den 1940er Jahren. Anhand eines Zeitstrahls kann nachvollzogen werden, in welchen Gegenden Verdrängungsprozesse stattfanden.
Konflikte entschärfen
Für die Bezirke ist das Clubkataster ein Instrument, um Nutzungskonflikte zwischen Partyorten und Wohnnutzung zu entschärfen – oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Wird ein Bauantrag gestellt, können Mitarbeiter der Baubehörden jetzt im Verzeichnis überprüfen, ob es in der Nachbarschaft Clubs gibt. Bei direkter Nachbarschaft gibt es nur dann eine Baugenehmigung für Wohnen, wenn der Bauherr ein Schallschutzgutachten und entsprechende Lärmschutzmaßnahmen bezahlt. Diese Verantwortlichkeit ließ Geisel eigens neu in die Bauordnung aufnehmen. Den Bezirksbehörden habe er entsprechende Empfehlungen gegeben. In der Vergangenheit hatten bei Konflikten meist die Clubs das Nachsehen: Der Knaack-Club in Prenzlauer Berg etwa musste wegen Anwohnerbeschwerden weichen.
Doch verkompliziert und verteuert der neue Schutz nicht den durch ihn vorangetriebenen Wohnungsneubau in der Innenstadt? „Es ist eine Quadratur des Kreises“, räumt Geisel ein. „Aber eine mögliche und notwendige.“ Wohnen könne man schließlich überall. Aber ohne die Club- und Musikkultur in der Innenstadt sehe Berlin irgendwann aus wie jede beliebige Großstadt.
Katja Lucker, Geschäftsführerin des vom Senat eingerichteten Musicboard, und Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission, der für die Ausarbeitung des Katasters verantwortlich zeichnet, freuten sich über die Unterstützung. Leichsenring sagte, das Kataster markiere eine Zäsur im Berliner Nachtleben: Früher hätten die Behörden Clubs verfolgt und verdrängt – heute genieße man offiziellen Status.
Das Kataster soll nun, unter tätiger Mithilfe aktiver Clubgänger, weiter vervollständigt werden. Besonders die vielen illegalen Mitte-Clubs der Wendezeit seien noch nicht erfasst. Man hofft auf viele Hinweise auch auf aktuelle Neueröffnungen und Schließungen, um bald belastbare Zahlen dazu zu haben, ob es wirklich ein „Clubsterben“ in der Innenstadt gibt.
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