Clinch zwischen Südkorea und China: Kulturelle Aneignung

Die Olympischen Spiele bringen nicht nur sportliche Hochleistungen hervor. Sie befeuern auch jahrhundertealte nationalistische Fehden.

Olympiasieger Hwang mit Fahne.

Stilistisch einfach toll: Olympiasieger Hwang Dae-heon Foto: David J. Phillip/ap

Das Ganze ging mit der Eröffnungszeremonie im Pekinger „Vogelnest“-Stadion los. Regisseur Zhang Yimou ließ einige seiner Statistinnen im traditionellen „Hanbok“-Gewand aufmarschieren – jenen weit geschnittenen Kleidern, die für die koreanische Volksseele mindestens ebenso wichtig sind wie für Bayern Lederhosen. Aus chinesischer Sicht handelt es sich um die Zurschaustellung ethnischer Harmonie, denn im Nordosten leben knapp zwei Millionen koreanischstämmige Chinesen, eine der 56 Minderheiten der Volksrepublik.

Die Politiker in Seoul hingegen witterten „kulturelle Aneignung“. Aus der Ferne mag dies penibel wirken. Und natürlich hat Südkoreas demonstrative Abgrenzung seiner eigenen Identität auch mit einem gewissen Minderheitskomplex zu tun. Als „Delfin zwischen zwei Walen“ fühlen sich die Koreaner seit jeher eingepfercht zwischen den übermächtigen Staaten China und Japan, als Vasallenstaat und später Kolonie gebeutelt.

Von der zunehmend nationalistischen Bevölkerung Chinas gibt es dafür wenig Empathie. Nicht wenige in der Volksrepublik vertreten die Auffassung, dass Koreas kultureller Überbau – angefangen vom Konfuzianismus bis hin zu den alten „Hanja“-Schriftzeichen – aus dem Chinesischen entlehnt ist.

Insbesondere in den letzten Jahren hat sich die Stimmung zwischen den Nachbarn verschärft. Spätestens seit der Pandemie ist der Austausch auf ein Minimum begrenzt: Die omnipräsenten Koreaner, die man nicht selten in Pekings Kneipen und Einkaufszentren angetroffen hat, leben mittlerweile fast nur im „Wangjing“-Viertel. Und die chinesischen Studenten in Seoul werden immer öfter mit Argwohn beäugt.

Petition für Abreise

Nur mit diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Disqualifizierung von zwei südkoreanischen Shorttrack-Läufern zu einem diplomatischen Eklat geführt hat. Hwang Dae-heon und Lee June-seo mussten nach umstrittenen Entscheidungen der Jury aufgeben, wodurch chinesische Konkurrenten weiter im Turnier blieben. Auf Koreas sozialen Medien wurde kolportiert, dass China seinen Vorteil als Gastgebernation ausspiele – und schon nahmen die gegenseitigen Beleidigungen ihren Lauf.

Viele Südkoreaner forderten per Petition, dass der gesamte Kader aus Protest abreisen solle. Zum Glück blieben die Athleten jedoch da – und Shorttrack-Läufer Hwang konnte mit seiner Goldmedaille in der Disziplin über 1.500 Meter die koreanischen Gemüter ein wenig beruhigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.