Claudia Roth über Afghanistan: "Ich will nichts schön reden"
Die Bundesregierung trägt Mitschuld an der desaströsen Lage in Afghanistan, kritisiert die Grünen-Chefin Claudia Roth. Auch Rot-Grün habe die Lage falsch eingeschätzt.
taz: Frau Roth, neu veröffentlichte Dokumente legen den Schluss nahe, dass die westlichen Truppen den Krieg in Afghanistan verlieren. Hat auch die rot-grüne Regierung etwas falsch gemacht, als sie 2001 den Bundeswehr-Einsatz beschloss?
Claudia Roth: Ich will nichts schön reden. Wir hatten natürlich andere Vorstellungen, was die Entwicklung in Afghanistan angeht. Aber es war die rot-grüne Bundesregierung, die von Anfang an deutlich gemacht hat, dass parallel zum militärischen Einsatz vor allem die Fragen des politischen und zivilen Wiederaufbaus zu beantworten sind, beispielsweise mit der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg. Wir wollten natürlich vor allem auch die Stellung der Frauen verändern, für Demokratie und Menschenrechte sorgen. Und plötzlich merkten wir: Solange wir mit den Stammesältesten nicht reden, kommen wir überhaupt nicht weiter. Wir können unsere Standards nicht so ohne Weiteres eins zu eins auf andere Länder übertragen, ohne etwas davon preis zu geben. Das war eine bittere Erkenntnis.
Was muss sich heute ändern?
Viel zu lange wurde von der Bush-Administration die verheerende Strategie eines harten militärischen Vorgehens verfolgt. Das zeigen auch die nun bekannt gewordenen Dokumente. Seit einem halben Jahr verspricht die Bundesregierung nun endlich einen Strategiewechsel - aber nichts bessert sich. Wir brauchen eine Strategie für den Übergang, damit ein Ende des Einsatzes 2014 überhaupt erst möglich wird: Wie können viel mehr afghanische Soldaten und Polizisten als bisher ausgebildet? Welche Anreize gibt es für Taliban, sich in die Gesellschaft einzugliedern? Wie kann ich dabei die Fortschritte, etwa bei der Frauenförderung, bewahren? Darüber höre ich von der Bundesregierung keinen Satz.
Schwarz-Grün in Hamburg wankt nach der Niederlage beim Volksentscheid. Die Bundes-Union forciert längere Atomlaufzeiten. Zeigt sich jetzt, dass mit Schwarz-Grün etwas zusammenwachsen sollte, das nicht zusammengehört?
Hamburg ist ja nicht der Bund. Aber es stimmt: Schwarz-grüne Bündnisse werden immer schwieriger, wenn die Union sich von den Grünen inhaltlich entfernt. Die CDU macht sich zur Lobby der Atomkonzerne. Sie führt einen Frontalangriff auf Langzeitarbeitslose und Rentner. Und sie bricht die Versprechen, die Deutschland in der Entwicklungshilfe gegenüber armen Ländern gemacht hat, auch und gerade in Sachen Klimaschutz.
Christoph Ahlhaus gilt als harter Innensenator und ist assoziertes Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung. Freuen sich die Grünen schon auf Hamburgs künftigen Bürgermeister?
Herr Ahlhaus muss erst mal liefern. Er muss deutlich machen, ob er dem Koalitionsvertrag, den Herr von Beust unterschrieben hat, treu bleibt. Er muss zeigen, ob er liberal ist oder ein konservativer Hardliner.
Sind Sie bereit, im Fall der Fälle die Hamburger Koalition aufzukündigen? Für Rot-Grün reicht es laut Umfragen ja nicht.
Es wäre doch merkwürdig, wenn die Grünen nach der Rücktrittsankündigung von Ole von Beust nur danach schielten, in welchem Bündnis es bei Neuwahlen eventuell zur Mehrheit reicht. Wir machen jetzt, nach zwei Jahren, eine Halbzeitbilanz der Koalition und schauen, was sie noch umsetzen kann. Die Entscheidung, ob es weitergeht oder Neuwahlen anstehen, fällt auf einer Landesmitgliederversammlung am 22. August.
Falls Schwarz-Grün in Hamburg nicht funktioniert, wo dann? Etwa in Baden-Württemberg, wo 2011 gewählt wird?
Ministerpräsident Stefan Mappus versucht ja händeringend, die Inkarnation von Franz-Josef Strauß zu werden. Was ihm nicht gelingen wird. Aber auch was er zum Thema Atomlaufzeiten von sich gibt, ist weit weg von grüner Politik. Aber die Grünen entscheiden dann vor Ort, wie sie mit dem Wahlergebnis umgehen werden.
Müssen die Grünen nun die Annäherung an die Linken forcieren?
Die Linke weiß derzeit nicht, wohin es gehen soll. Sie täte gut daran, endlich zu definieren, wer sie denn eigentlich sein will.
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