City-ID für Berlin: Eine Stadtkarte für alle ist möglich
Eine City-ID könnte illegalisierten Menschen helfen, am sozialen Leben teilzuhaben, stellt ein Gutachten fest. Aber ob der Senat sie einführen will?
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken, Elif Eralp, forderte den schwarz-roten Senat am Montag auf, eine solche Karte einzuführen. „Gerade jetzt, in Zeiten von Rechtsruck und rassistischen Migrationsdebatten, wäre das ein wichtiges Zeichen für eine offene Einwanderungsgesellschaft, für gleiche Rechte und Chancen und für tatsächliche Erleichterung im Alltag von Illegalisierten.“
In Berlin leben nach Schätzungen 60.000 bis 100.000 Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis. Sie sind von allem ausgeschlossen, für das eine offizielle Meldeadresse oder Kontakt mit Behörden notwendig ist. Sie können zum Beispiel kein Konto eröffnen, haben keine Krankenversicherung, können nicht sozialversicherungspflichtig arbeiten. Seit vergangenem Sommer können sie wegen der Ausweispflicht nicht mal mehr ins Freibad gehen.
Ihre Kinder können zwar die Schule besuchen, weil Schulen wie Krankenhäuser von der „Übermittlungspflicht“ ausgenommen sind, also illegalisierte Menschen nicht der Polizei gemeldet werden müssen. Doch aus Unwissenheit zögerten viele Betroffene, ihr Kind zur Schule zu schicken, heißt es im Gutachten, das der taz vorliegt.
Vorbild New York
Zumindest einige der Probleme könnten mit einer Berliner Stadtkarte angegangen werden, stellt das Gutachten fest. Großes Vorbild ist New York, in Europa haben Zürich, Bern und Paris ähnliche Karten. Anders als in New York könne die Karte hierzulande aber aus rechtlichen Gründen nicht als Ausweisersatz dienen und vor der Polizei schützen, schränken die Autoren ein.
Hier könnte die City-ID vor allem im Alltag „den Zugang zu einzelnen städtischen Angeboten verbessern helfen oder diesen erst eröffnen“. Dafür müsse der Senat vorab enge Absprachen mit Institutionen führen, etwa Volkshochschulen, Bibliotheken, Bäderbetrieben oder auch privaten Einrichtungen wie Sportvereinen, Fitness-Studios, Hostels oder Mobilfunkbetreibern, damit sie die Karte als Identitätsnachweis akzeptieren.
Wichtig wäre dabei, dass die Karte mit dem echten Namen arbeitet und eine postalische „Erreichbarkeitsadresse“ enthält. Das könnte etwa ein Postfach bei einem freien Träger sein, wohin Schreiben, etwa über verspätet zurückgegebene Bücher, geschickt werden könnten. Dadurch hätte die City-ID auch organisatorische Vorteile für Stellen, die schon jetzt mit Undokumentierten in Kontakt sind, wie die Clearingstelle für Nicht-Krankenversicherte, Krankenhäuser, Frauenhäuser, Notunterkünfte oder Schulleitungen.
Positive Effekte sehen die Autoren auch im symbolischen Bereich: Die City-ID „kann für undokumentierte Menschen das Gefühl der Zugehörigkeit zur Stadt erhöhen und sie kann ein Zeichen Berlins als weltoffene und transformative Stadt setzen“. Dazu müssten sie allerdings möglichst viele Menschen nutzen – nicht nur illegalisierte. Sonst würde die City-ID „zum Ausweis für einen undokumentierten Aufenthalt“, dessen Nutzung Verdacht erregt. Zudem könnte der Ausweis auch für andere Gruppen vorteilhaft sein, etwa Wohnungslose.
Eine Stellungnahme des Senats zum Gutachten ist dem Vernehmen nach in Vorbereitung. Dass er die City-ID einführen wird, sei aber in dieser Legislatur wohl nicht zu erwarten.
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